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35 Milliarden – und der Mehrwert?

- Flossbach von Storch

Philipp Immenkötter vom Flossbach von Storch Research Institute hat in seiner jüngsten Studie die Subventionen an Dax-Konzerne unter die Lupe genommen.

Herr Immenkötter, Sie haben sich mit Subventionen an Unternehmen beschäftigt, die im Deutschen Aktienindex (Dax) gelistet sind. Subventionen sind Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln?

Ja genau. Das sind Leistungen, die Unternehmen erhalten, denen aber keine Gegenleistungen gegenüberstehen.

Sie haben dabei die vergangenen acht Jahre untersucht. Wie viele der Dax-Unternehmen haben denn öffentliche Mittel erhalten?

Schon bei dieser einfachen Frage wird es knifflig. Denn es gibt unterschiedliche Daten. Einerseits sind börsennotierte Unternehmen gemäß dem „International Accounting Standard 20“ verpflichtet, in ihren Geschäftsberichten Angaben über Zuwendungen und andere Beihilfen der öffentlichen Hand zu machen. Hier fanden sich von 2016 bis 2023 für die 40 Konzerne 156 Datenpunkte, die sich auf 29 Unternehmen verteilen. Basierend auf diesen Angaben betrug die Gesamtsumme der Förderbeträge hier 35 Milliarden Euro.

Sie hatten aber noch eine zweite Quelle?

Wir haben auch die Beihilfentransparenzdatenbank der EU untersucht, wo gewährte Subventionen veröffentlicht werden müssen. Hier konnten 5.675 Einträge von 37 verschiedenen DAX-Konzernen zugeordnet werden. Lediglich zu drei Konzernen – Hannover Rück, Commerzbank und Deutsche Börse – gab es keine Erwähnung. Hier waren für denselben Zeitraum 17,6 Milliarden Euro Subventionen zu entnehmen, also nur ein etwa halb so hoher Betrag.

Das ist aber ein großer Unterschied. Wie kann es zu solchen Abweichungen kommen?

Einerseits müssen Beihilfen unterhalb einer Höhe von 200.000 Euro beziehungsweise seit 13.12.2023 unterhalb von 300.000 Euro nicht von der EU-Kommission genehmigt werden. Sie tauchen daher nicht notwendigerweise in der EU-Datenbank auf. Zudem haben wir mit einem computerbasierten Namensabgleich gearbeitet, der zwar verschiedene Schreibweisen und Abkürzungen berücksichtigt hat. Dennoch können Unschärfen entstehen – etwa bei komplexen Besitzstrukturen, Namensänderungen oder Umfirmierungen. Doch das erklärt die Abweichungen nur zum Teil.

Und was kommt hinzu?

Die Interessen der Herausgeber der Daten sind grundsätzlich verschieden. In Geschäftsberichten informieren Unternehmen als Empfänger der Subventionen über ihre Aktivitäten, während die EU-Datenbank aus Sicht der Geldgeber erstellt wird und politischen Entscheidungen unterliegt. Daher variieren die Ansichten darüber, welche Vorgänge als Subvention betrachtet werden und welche nicht. So werden in der EU-Datenbank nur Zahlungen berücksichtigt, bei denen eine staatliche Stelle die Notwendigkeit der Meldung und Genehmigung sieht. Des Weiteren kann es zu Abweichungen kommen, wenn die zahlende Institution nicht in der EU ansässig ist. Zudem kann bei vergleichbaren Vorgängen zwischen Unternehmen auf Grund unterschiedlicher Einschätzungen der Vorgänge, zu Abweichungen kommen.

Können Sie uns ein Beispiel geben?

Beispielsweise bewertet die Deutsche Bank Zinsüberschusserträge aus den EZB-Programmen TLTRO II und TLTRO III aus den Jahren 2017 bis 2023 als Zuwendungen der öffentlichen Hand. Die Commerzbank weist hingegen trotz der Teilnahme an den Programmen keine Zuwendungen der öffentlichen Hand aus.

Die Summen sind also mit Vorsicht zu genießen. Kann man denn sagen, wer von den 40 Dax-Konzernen am meisten bekommen hat?

Ja, der größte Empfänger staatlicher Gelder von 2016 bis 2023 war der Energiekonzern E.ON. Der Konzern hat 9,3 Milliarden Euro erhalten, das zeigen die Geschäftsberichte. Der Großteil der Beträge findet seinen Ursprung im Strompreisbremsegesetz (StromPBG) und Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG). Hier wurden Zahlungen von Kunden ersetzt oder Einkaufspreise reduziert. Darüber hinaus erhielt E.ON diverse staatliche Investitionszuschüsse.

Klar, die Förderungen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Da war RWE sicher auch dabei, oder?

Der Energieversorger RWE folgt mit 4,0 Milliarden Euro laut EU-Datenbank auf Platz Drei. Den Großteil machen aber direkte Förderungen etwa für Kraftwerke, zum Bau von Windparks und zur Verbrennung von Biomasse aus.

Und auf Platz zwei…

… steht der Autobauer Volkswagen mit 6,4 Milliarden Euro Förderungen. Unter anderem erhielt der Konzern umfangreiche Steuervergünstigungen und Förderungen für Forschung im Bereich der Antriebs- und Digitaltechnik.

Also die politisch gewollte Umstellung auf neue Antriebstechniken – da erscheinen hohe Förderungen logisch, zumal es für den Kauf von E-Autos und zeitweise für Hybride für Käufer staatliche Unterstützung gab.

Es ist richtig, dass die drei Unternehmen Schlüsselpositionen in den Branchen einnehmen, auf welche sich die politischen Transformationsabsichten und die Stützungsmaßnahmen der deutschen Regierungen während des Beobachtungszeitraums fokussiert haben. Der ab 2020 gezahlte Umweltbonus beim Kauf von E-Autos ist aber ein Beispiel für eine indirekte Förderung der Autoindustrie – und somit nicht in den Zahlen zu finden. So gesehen stellen beide Zahlenwerke, also die Geschäftsberichte und die EU-Datenbank nur jeweils eine Untergrenze der gezahlten Subventionen da.

Oh, kann man aus den Jahren denn eine Entwicklung ableiten?

Das Ausmaß, in dem profitabel wirtschaftende Konzerne mit öffentlichen Geldern versorgt werden, ist über die vergangenen Jahre drastisch angestiegen. Im Jahr 2023 wurden mehr als fünfmal so viele Subventionen an deutsche Großkonzerne ausgezahlt wie noch im Jahr 2016. Der Grund liegt wohl hauptsächlich in den politischen Entscheidungen der Ampelregierung und der großen Koalition. Hierunter fällt das politische Vorhaben, die Wirtschaft zu transformieren und sie während der Coronapandemie aber auch des Ukrainekriegs zu stützen.

Und hier wären wir schon beim Zweck der Subventionen. Haben diese geholfen, die Wirtschaft zu transformieren oder sie in Krisen anzukurbeln?

Nein. Durch die vorliegenden Daten konnte kein Nachweis erbracht werden, dass die öffentlichen Gelder tatsächlich einen gesellschaftlichen Mehrwert erbracht haben. Vielmehr ist zu befürchten, dass ein Großteil der Mittel lediglich private Gelder ersetzt haben. Des Weiteren führen die eingesetzten Subventionen dazu, dass Großkonzerne Investitionen in Geschäftsfelder tätigen, bei denen unklar ist, ob sie überhaupt langfristig profitabel unterhalten werden können. Mögliche Folgen der Subventionspolitik sind Ressourcenverschwendung, Wettbewerbsverzerrung und eine Abhängigkeit der Wirtschaft von staatlichen Geldern.

Sind Subventionen in der EU nicht ohnehin verboten?

Grundsätzlich sind Subventionen nach Artikel 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag) in der EU und damit auch in Deutschland verboten. Jedoch ermöglichen die Abschnitte 2 und 3 des Art.107 AEU Ausnahmen, die genutzt werden, um sie dann doch zu genehmigen. Meist werden Subventionen in Form einer direkten Finanzhilfe gezahlt. Sie können jedoch auch in Form von Steuererleichterungen, Zinsbegünstigungen, Schuldenerlasse, Bürgschaften, als Bereitstellung von Grundstücken, Waren oder Dienstleistungen zu Sonderkonditionen oder indirekt als Zahlung an private Haushalte mit Zweckbindung erfolgen.

Lässt Ihre Studie den Schluss zu, dass zu viel subventioniert wurde?

Durchaus. Der politische Wille, die Wirtschaft zu transformieren und zu stützen, hat dazu geführt, dass die Dax-Konzerne ein stetig wachsendes Volumen an Subventionen erhalten haben und im gleichen Zeitraum deutliche Gewinne verbuchen konnten. Die staatlichen Gelder haben nicht dazu beigetragen, Investitionen zu fördern. Es ist eher zu befürchten, dass sie private Investitionen verdrängen und zu Ineffizienzen und Wettbewerbsverzerrungen führen und damit ihr ursprüngliches gesellschaftliches oder politisches Ziel verfehlen.

Wie könnte man das sinnvoller machen?

Weniger Subventionen aber dafür der Abbau von Bürokratie und Regulierung sowohl in Deutschland als auch in der EU wäre wohl der bessere Weg, um Innovationsdruck mit dem Ziel zu erzeugen, die gesamtwirtschaftliche Produktivität zu erhöhen und um gesellschaftliche Ziele zu erreichen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Philipp Immenkötter ist Senior Research Analyst am Flossbach von Storch Research Institute.

Hier finden Sie die Studie:

DAX-Konzerne erhalten Milliarden an Subventionen - Flossbach von Storch (flossbachvonstorch-researchinstitute.com)

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