Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben. Heißt im Umkehrschluss: die Zinsen dürften so bald nicht fallen. Im Interview spricht Bert Flossbach über die Folgen für Anlegerinnen und Anleger.
Mit was hat Sie der Kapitalmarkt zuletzt besonders überrascht?
Bemerkenswert ist der starke Anstieg der Renditen langlaufender Anleihen gewesen. Normalerweise fallen sie, wenn sich die Konjunkturaussichten eintrüben.
Welche Erklärung haben Sie dafür?
Offensichtlich erwarten immer mehr Anleger, dass ein Abschwung nicht zwingend die Inflationsraten nach unten drücken wird. Deswegen verlangen die Investoren für länger laufende Papiere auch höhere Zinsen.
Sind Anleihen wieder interessant?
Ihr Ertrags-Risiko-Verhältnis hat sich deutlich verbessert, insbesondere von US-Staatspapieren. Nehmen wir die „zehnjährigen“ als Beispiel: Deren Renditen liegen derzeit bei 4,6 Prozent – und sind damit so hoch wie seit rund 15 Jahren nicht mehr! Selbst für die inflationsgeschützte Variante bekommen Sie mit 2,2 Prozent mittlerweile eine attraktive Realverzinsung.
Sie haben als Euro-Investor dann aber ein Währungsrisiko im Portfolio …
Das stimmt, wobei ich eine nachhaltige US-Dollarschwäche für eher unwahrscheinlich halte.
Warum?
Die Fed hat im Vergleich zur EZB mehr Spielraum im Kampf gegen die Inflation; sie muss keine Rücksicht auf die unterschiedlichen Belange verschiedener Länder einer Gemeinschaftswährung nehmen. Außerdem ist der Euroraum deutlich abhängiger von Rohstoff- und Energieimporten. Nicht zu vergessen die demografische Entwicklung: Auch die spricht in Europa eher für eine strukturell höhere Inflation als in den USA.
Wie wirkt sich das gestiegene Zinsniveau auf den Aktienmarkt aus?
Auf zweierlei Weise: Der höhere Zins drückt die Bewertungen beziehungsweise den Gewinnmultiplikator. Hinzu kommen steigende Zinskosten, die bei Unternehmen mit hoher Verschuldung den Gewinn schmälern und sich damit doppelt negativ auf die Aktienkurse auswirken. Dieser Effekt macht sich aber erst mit der Zeit bemerkbar, wenn die alten Niedrigzinskredite nach und nach durch höherverzinsliche Schulden ersetzt worden sind.
Fazit: Derzeit Finger weg von Aktien?
Das habe ich nicht gesagt. Auch wenn Anleihen heute attraktiver sind als vor 18 Monaten – als Investor kommen sie nicht um den Aktienmarkt herum, wenn sie die Kaufkraft eines Vermögens langfristig erhalten wollen und darüber hinaus auskömmliche Renditen erzielen möchten. An dieser grundsätzlichen Einschätzung hat sich nichts verändert.
Trotz drohender Rezession?
Ich würde mich nicht so sehr mit dieser eher akademischen Diskussion belasten. Ja, die Rezession wird kommen. Aber niemand weiß, wann oder wo; und auch nicht, wie tief sie ausfallen wird. Am Ende des Tages ist das auch nicht so entscheidend, wie allerorten behauptet wird. Zumindest nicht aus Sicht eines langfristig denkenden Anlegers. Schauen Sie einfach in ihren Badezimmerschrank, auf die Produkte darin – Zahnpasta, Zahnbürsten, unter dem Waschbecken die Scheuermilch. All das werden sie auch in den kommenden Monaten kaufen, ganz gleich, ob die Wirtschaft deutlicher abkühlt oder nicht.
Und was ist stattdessen entscheidend?
Die Qualität der Unternehmen, in die Sie investieren. Deren Geschäftsmodell. Wie abhängig sind diese Firmen von Konjunkturschwankungen. Da gibt es mitunter sehr große Unterschiede.
Auf welche Aktien und Branchen sollten Investoren denn derzeit schauen?
Sie sollten besser nicht in Schubladen denken, also in Branchen oder Herkunftsländern. Entscheidend ist immer das jeweilige Unternehmen.
Dann anders gefragt: Wie definieren Sie Qualität?
Uns geht es um Ertragsstabilität und Wachstumspotenzial. Ersteres meint die Robustheit und Verlässlichkeit der Unternehmensgewinne. Wie abhängig ist ein Unternehmen von Konjunkturzyklen, technologischem Wandel oder externen nicht beeinflussbaren Faktoren? Im Idealfall kaum. Wie hoch ist seine Verschuldung? Besser niedrig. Und kann es im aktuellen Umfeld die gestiegenen Preise an seine Kunden weitergeben? Notwendigerweise ja.
Und das Wachstumspotenzial?
Das definieren wir durch die zu erwartenden Wachstumsraten bei Umsatz, Gewinn und Cashflow, mit Blick auf die nächsten fünf bis zehn Jahre.
Wie würden Sie denn den jüngsten Kursrücksetzer am Aktienmarkt im Oktober bewerten?
Der Markt befindet sich in einer Konsolidierungsphase, die noch eine Weile anhalten könnte. Das hohe Zinsniveau muss erst einmal verdaut werden.
Was muss denn passieren, dass diese Phase endet?
Der Prozess endet, wenn der Zinserhöhungszyklus abgeschlossen ist.
Geht es vielleicht ein bisschen konkreter?
Bei einigen Qualitätsaktien ist diese Anpassung bereits sehr weit fortgeschritten. Das Chance-Risiko-Verhältnis hat sich hier deutlich verbessert, sodass Käufe oder Aufstockungen unseres Erachtens schon jetzt sinnvoll erscheinen. In anderen Fällen müssen die Bewertungen noch weiter zurückgehen, um die Titel auf die Kaufliste zu setzen. Naturgemäß wird man als Investor nie den Boden der Korrektur treffen. Deshalb ist schrittweises Investieren sinnvoll. Qualitätsaktien haben die angenehme Eigenschaft, dass ein Bewertungsrückgang langfristig durch steigende Unternehmensgewinne überkompensiert wird. Der geduldige Anleger wird also belohnt. Gute Unternehmen wachsen mit der Inflation, gute Anleihen nicht.
Herr Dr. Flossbach, vielen Dank für das Gespräch!
Verschiedene Fachbegriffe aus der Welt der Finanzen finden Sie in unserem Glossar erklärt.
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