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„Möglich, dass da noch mehr kommt“

- Flossbach von Storch

Im Interview rekonstruiert Thomas Mayer die Gründe des Blitz-Crashs Anfang August und erklärt, was daraus folgen könnte.

Wie würden Sie den Blitz-Crash Anfang August beschreiben, was war der Grund?
Es gab nicht den einen Grund, sondern verschiedene, die in Summe geeignet schienen, den Marktteilnehmern einen ordentlichen Schrecken einzujagen.

Welche Gründe waren das?
Die Entscheidung der Bank von Japan, Ende Juli ihren Leitzins anzuheben beispielsweise. Die kam für viele internationale Investoren überraschend. Dazu die Sorge, dass die Ertragserwartungen an die Technologieunternehmen am Ende doch zu hoch sein könnten und die US-Wirtschaft nicht so robust ist, wie lange Zeit angenommen. Wichtiger für die Anlegerpsyche war jedoch, was dieser Einschätzung vorausgegangen war.

Was genau meinen Sie?
Oft geben Fantasien über die segensreichen Wirkungen neuer Technologien oder billiges Geld der Börse massiven Auftrieb. Dieses Jahr kamen beide zum Zug: Künstliche Intelligenz schuf eine Euphorie unter den Marktteilnehmern, wie sie vorher bei der Entstehung der Eisenbahnen Ende des 19. oder des Internets Ende des 20. Jahrhunderts zu sehen war. Dazu kam billiges Geld aus Japan in einem Umfeld weltweit höherer Zinsen, das zur Kreditfinanzierung von Anlagen in anderen Ländern, darunter auch Technologieaktien in den USA, einlud. Am Ende reichen kleine Zweifel am Narrativ, um eine deutliche Börsenreaktion auszulösen. 

Welcher der von Ihnen genannten Gründen klingt für Sie am plausibelsten?
Sie klingen alle plausibel, wenngleich ich sie unterschiedlich bewerten würde.

Und wie?
Eine Korrektur überzogener Hoffnungen zu den Wirkungen der künstlichen Intelligenz sollte kein Anlass zur Sorge sein. Die Einschätzung technologischer Innovation ist immer mit Versuch und Irrtum verbunden. Dagegen deutet die Reaktion auf die Zinsanhebung in Japan auf ein größeres Problem hin.

Worauf wollen Sie hinaus?
Da würde ich etwas ausholen wollen.

Gerne.
Seit der Ankunft des leicht vermehrbaren Papiergelds Ende des 17. Jahrhunderts in Europa ist die Kreditfinanzierung von Anlagen ein wiederkehrendes Phänomen. Anfang des 18. Jahrhunderts schuf der zum französischen Finanzminister aufgestiegene schottische Abenteurer John Law mit Aktien angeblich werthaltiger französischer Überseebesitzungen gedecktes Papiergeld. Die boomende Aktiennachfrage erlaubte ihm die Ausweitung der Geldmenge. Als sich jedoch die Überseebesitzungen weit weniger wertvoll als erwartet erwiesen, platzte die „Mississippi-Blase“, und Laws Papiergeldsystem fiel mit ihr zusammen. Rund zwei Jahrhunderte später nährte die Niedrigzinspolitik der damals jungen US-Notenbank Federal Reserve einen Aktienboom, der mit dem Crash von 1929 die USA und Europa in Deflation und Depression stürzte. Heute erleben wir die späte Phase eines Geldexperiments, das sich noch kühner als Laws Versuch erweisen könnte.

Inwieweit kühner?
Es begann damit, dass die Bank von Japan mit einer Niedrigzinspolitik zur Schwächung des Yen-Wechselkurses eine „Blasenökonomie“ schuf, die Anfang der 90er-Jahre platzte. Die Antwort darauf war eine Politik des noch billigeren Geldes. Zu dieser Zeit schwenkten die Zentralbanken der anderen Industrieländer auf eine Politik der „Inflationssteuerung“ ein. Die aufgrund von technischem Fortschritt und Globalisierung gedrückte Inflation veranlasste sie zu einer Niedrigzinspolitik nach dem früheren Muster der USA und Japans. Das Ergebnis waren wiederkehrende Finanzblasen, die mit der „Großen Finanzkrise“ von 2007/08 ihren vorläufigen Höhepunkt hatten. Wie die Bank von Japan zuvor antworteten die Zentralbanken darauf mit einer Politik des noch leichteren Geldes. In der Pandemie gingen sie zur unverblümten monetären Finanzierung hoher Staatsdefizite über. Das Ergebnis waren die Wiederkehr der Konsumentenpreisinflation und eine – nur vom Blitz-Crash 2020 unterbrochene – Aktienhausse.  Mit den Zinsanhebungen ab 2022 beruhigte sich die Konsumentenpreisinflation.

Aber die Aktien sind seither trotzdem weiter gestiegen …
Entgegen den Erwartungen vieler Beobachter, ja. Aber das muss nicht bedeuten, dass es in den kommenden Monaten genauso rasant weiter nach oben geht. Möglicherweise ist der Blitz-Crash von Anfang August das Wetterleuchten gewesen, das manchmal einem größeren Gewitter vorausgeht. Gut möglich also, dass da noch mehr kommt.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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