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Geldanlage
4 Minuten

"Fliegt uns das ins Gesicht?"

- Flossbach von Storch

Die Inflationserwartungen steigen – und mit ihnen die Zinsen, zumindest vorübergehend. Was das für eine langfristige Anlagestrategie für Auswirkungen hat, haben wir unsere Kapitalmarktstrategen Thomas Lehr und Philipp Vorndran gefragt.

Weltweit sind die Renditen für Anleihen in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen, insbesondere in den USA. Geht das so weiter?

Philipp Vorndran: Höchstwahrscheinlich nicht. Wir würden vermuten, dass die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) zunächst auf internationale Investoren baut, die das Renditeniveau wieder als so attraktiv befinden – und im großen Stile US-Anleihen kaufen. Das würde die Renditen wieder nach unten drücken. Andernfalls könnte die Notenbank einmal mehr selbst kaufen. Sie würde uns – nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre – damit nicht überraschen.

Aber was ist mit der Inflation, mögen viele an dieser Stelle einwenden? Wenn die erst richtig zulegt, dann wird die US-Notenbank nicht umhinkommen, die Zinsen deutlicher anzuheben…

Die Notenbanken haben „Inflationsguthaben“

Philipp Vorndran: Die Fed hat ein duales Mandat. Neben der Preisstabilität hat sie den Arbeitsmarkt im Blick zu haben. Trotz wirtschaftlicher Erholung ist die Lücke, die sich dort seit Ausbruch des Corona-Virus‘ aufgetan hat, immer noch groß. Und selbst wenn man die Lücke bald schlösse, wäre dies, das hat Fed-Chef Jerome Powell bereits klargemacht, noch lange nicht genug, das Mandat der Fed längst nicht erfüllt. Denn die Zahl der Beschäftigten, also das Beschäftigungsziel der Notenbank, liegt deutlich höher als das Ausgangsniveau bei Ausbruch der Pandemie. Vom US-Arbeitsmarkt lässt sich derzeit für die Fed also keine Notwendigkeit ableiten, die Geldpolitik perspektivisch zu straffen, die Leitzinsen anzuheben.

Thomas Lehr: Und was die Inflationserwartungen betrifft auch nicht. Seitdem die Notenbank Geldwertstabilität mithilfe eines sogenannten „Price Level Targetings“ beurteilt, das Inflationsziel also erst dann als erfüllt betrachtet, wenn der langjährige Mittelwert dem Ziel entspricht, ergibt sich für die Zukunft ein gewisser Ermessensspielraum für die Fed. Das in den vergangenen Jahren aufgebaute Inflationsguthaben dürfte allemal ausreichen, um in den kommenden Jahren Inflationsraten zu rechtfertigen, die deutlich über dem Inflationsziel von zwei Prozent liegen – ohne dass die Fed einschreitet und die Zinsen anhebt.

Aber was ist, wenn die Inflation sehr viel deutlicher zulegt, so wie von Ihrem Kollegen vom Flossbach von Storch Research Institute, von Thomas Mayer, angedeutet? Auch das wurden wir zuletzt häufiger gefragt.

Thomas Lehr: Ja, wenn „uns alles ins Gesicht fliegt“! Die Überschrift ist im Übrigen einem Interview mit Thomas Mayer entlehnt. Wir sind bei der Einschätzung zur Inflation in Wahrheit gar nicht so weit auseinander, wie es beim ersten Hören scheint. Thomas Mayer hat bei seinem Urteil weniger Warenkörbe oder steigende Löhne im Blick, was die Inflationsentwicklung betrifft, sondern vielmehr ein weit höheres Gut: Vertrauen!

Droht der Vertrauensverlust in das Geldsystem?

Wenn die Menschen das Vertrauen in unser Finanz- und Geldsystem verlieren, dann beginnen sie Sachwerte zu horten – und treiben letztlich nicht nur Vermögens-, sondern auch Güterpreise in die Höhe. Bar- und Giralgeld mag dagegen niemand mehr haben, weil seine Eigenschaft als Wertaufbewahrungsmittel infrage steht. Wie bei der „heißen Kartoffel“ – bloß schnell weitergeben.

Philipp Vorndran: Auch wir sehen die Gefahr. Der einzige Unterschied in der Analyse zu Thomas Mayer ist der Faktor Zeit. Während er fürchtet, dass das Vertrauen – angesichts der immer exzessiveren Rettungspolitik der Regierungen und Notenbanken – schon bald zu schwinden beginnen könnte, möglicherweise schon begonnen hat, sind wir davon überzeugt, dass dieser Punkt noch nicht erreicht ist. Weil viele Menschen schlicht nicht wahrnehmen, welch gewaltigem Notenbank-Experiment sie beiwohnen in diesen Tagen – und auch nicht ahnen, was möglicherweise daraus folgen könnte. Weil ihnen das Thema zu komplex und gleichermaßen abstrakt erscheint.

Thomas Lehr: Aber ganz gleich, wer in diesem Punkt recht behalten wird, die Schlussfolgerung für Anlegerinnen und Anleger ist und bleibt die gleiche: Ein robust aufgestelltes Portfolio sollte in diesem Umfeld zu einem erheblichen Anteil aus erstklassigen liquiden Sachwerten bestehen, allen voran aus Aktien sehr guter Unternehmen.

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