Die US-Politik der hohen Zölle ist schon einmal gescheitert. Doch der Protektionismus wächst, warnt Professorin Agnieszka Gehringer vom Flossbach von Storch Research Institute.
Frau Gehringer, der neue US-Präsident Donald Trump droht mit immer neuen Zöllen. Eine Politik, die dem Staat erhebliche Mehreinnahmen bescheren, aber für die US-Wirtschaft nach hinten losgehen kann, oder?
Oh ja. Auf den ersten Blick scheint die Logik bestechend: Die eigene Wirtschaft schützt man am einfachsten vor lästiger Konkurrenz aus dem Ausland, indem man die Einfuhr von Produkten verteuert. Also erhebt man Zölle oder hebt diese an. Dieser Ansatz ist nicht neu. So haben die Republikaner in den USA auch 1921 eine Wahl mit dem Thema Protektionismus gewonnen. Im September 1922 trat dann das Fordney-McCumber-Zollgesetz in Kraft und einige Jahre später lag der Durchschnittszoll bei knapp 40 Prozent.
Und das Ergebnis?
Die Farmer und Industriearbeiter, denen die protektionistischen US-Politiker mit den Einfuhrgebühren hatten helfen wollen, hatten den Schaden. Es stieg zwar das Preisniveau in den USA und damit auch deren Einkommen. Doch Maschinen und Saatgut verteuerte sich noch mehr und so dehnte sich das Zollregime immer mehr aus. Zudem reagierten insbesondere europäische Staaten mit starken Zollerhöhungen, so dass die Exportwirtschaft nahezu zum Erliegen kam und die US-Konjunktur schwächelte. Zudem konnten die Länder, die den USA Kredite aus dem Ersten Weltkrieg zurückzahlen mussten, Verpflichtungen oft nicht mehr nachkommen, was die US-Banken unter Druck setzte und Kreditkosten verteuerte.
Aber es gab doch in den 1920er Jahren diesen starken Aktienboom an der Wallstreet, der dann 1929 platzte?
Das ist richtig. Die Hausse hat die ökonomischen Probleme überdeckt und viele ruiniert. Trotz allem gab es dann im Juni 1930 ein zweites, noch härteres Zollgesetz gegen das praktisch die gesamte wirtschaftliche Elite des Landes Sturm lief. Damals tobte bereits die Weltwirtschaftskrise. Und diese Politik verschärfte die Lage. In der Great Depression stand dann ein Viertel der US-Amerikaner ohne Job da und gerieten in große Not.
Und heute?
Die aktuelle Welle des Protektionismus ist weit fortgeschritten, da sie bereits kurz nach der großen Finanzkrise begann. Eine spürbare Beschleunigung der Maßnahmen, die darauf abzielen, Handelskonkurrenten zu schädigen, trat jedoch erst in jüngerer Zeit ein, nämlich mit der ersten Präsidentschaft von Donald Trump von 2017 bis 2021. Sie hält seither an. Dabei wird heute nicht nur mit Zöllen und Einfuhrkontingenten gearbeitet, sondern mit weiteren Instrumenten wie Subventionen, Kapitalverkehrskontrollen, Anti-Dumping oder technischen Handelshemmnissen. Einen Überblick bietet hier das Global Trade Alert (GTA) – eine umfassende Datenbank, in der detaillierte Informationen über verschiedene Formen staatlicher Eingriffe gesammelt und in neun Kategorien grob eingeteilt werden.
Doch nicht alle Eingriffe von Staaten zielen wie Zölle darauf, den Wettbewerb einzuschränken? Ich denke da beispielsweise an Subventionen.
Genau. Daher werden die Eingriffe in drei Untergruppen eingeteilt: In solche, die mit ziemlicher Sicherheit diskriminierend auf Handelspartner wirken (sollen), wahrscheinlich diskriminierend, nichtdiskriminierend oder sogar positiv (liberalisierend). Wobei manche Gesetze, wie beispielsweise das Lieferkettengesetz der EU, in dieser Datenbank nicht berücksichtigt werden.
Und wenn man nur die schädlichen, oder wie Sie sagten, diskriminierenden Maßnahmen betrachtet?
Dann sieht man, dass sich insbesondere durch den Handelskrieg zwischen USA und China in diesen Ländern die Zahl solcher Maßnahmen seit 2009, also seit dem Ende der Großen Finanzkrise, etwa verdreifacht hat. In der EU und Japan haben sie sich etwas mehr als verdoppelt und ganz oben rangiert Russland, wobei hier die Tendenz wieder etwas rückläufig ist.
Doch, platt gesagt dürfte auf eine Zollerhöhung eines Landes mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Zollerhöhung des Handelspartners folgen. Kann man das in den Zahlen sehen?
Der Ländervergleich zwischen der Anzahl der selbst durchgeführten schädlichen Eingriffe und der Anzahl der Maßnahmen, die von Dritten eingeführt und gegen die Volkswirtschaft wirken, zeigt eine positive Bilanz in den USA, China, Russland und den EU-4. Es wurden also mehr Eingriffe durchgeführt als die jeweiligen Volkswirtschaften getroffen haben. Im Vereinigten Königreich drehte die Bilanz nach dem Brexit ins Negative, während sie in Japan fast immer negativ blieb.
Und die Aussichten?
Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Welle des Protektionismus zu einem Negativsummenspiel eskaliert, ist hoch und steigt mit der zunehmenden Intensität schädlicher staatlicher Eingriffe weltweit. Mit dem Amtsantritt von Donald Trump und dem Bestreben, seine Wahlversprechen zu erfüllen, sollte sich die Weltwirtschaft auf eine Welle neuer US-Zölle einstellen, die bald mit Vergeltungsmaßnahmen beantwortet werden. Die Erfahrung der Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass die negativen Auswirkungen des Protektionismus über die Zölle hinausgehen werden, da nichttarifäre Maßnahmen an Bedeutung gewinnen und ein breites Spektrum schädlicher Maßnahmen umfassen.
Frau Gehringer, vielen Dank für das Gespräch.
Auf der Seite des Flossbach von Storch Research Institute finden Sie eine Studie zu dem Thema. Dafür bitte hier klicken.
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