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Gesellschaft
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„Jahrhundertkrisen kommen öfter mal…“

- Flossbach von Storch

Milliardenschwere Hilfsprogramme sollen die Folgen der Corona-Pandemie mildern. „Jahrhundertkrisen“ gibt es aber beinahe jedes Jahrzehnt. Bei der nächsten droht der Staatsbankrott, sagt Thomas Mayer.

Wir erleben aktuell die schwerste Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg. Eine medizinische wie ökonomische Ausnahmesituation, die Maßnahmen rechtfertigt, die bislang undenkbar schienen. Herr Mayer, wie ernst ist die Lage?

Thomas Mayer: Nun ja, die Corona-Pandemie wird ja gerne als „Jahrhundertkrise“ bezeichnet. Das soll heißen, dass sie unversehens über uns hereingebrochen ist, eine Krise dieses Umfangs so schnell nicht wiederkommen wird und der finanziellen Krisenbekämpfung daher keine Grenzen gesetzt sind. Leider trifft nichts davon zu.

Aber der Ausbruch einer Pandemie lässt sich doch nicht vorhersagen, oder?

Mayer: Natürlich lässt sich der genaue Zeitpunkt nicht vorhersehen. Trotzdem hätten wir vor allem in Europa und den USA besser vorbereitet sein können. Das Virus Sars-CoV-2 war kein Novum, sondern hatte den Vorgänger Sars-CoV-1, der schon 2002/03 in Asien wütete. In diesem Jahrhundert gab es zahlreiche schwere Infektionswellen, die weltweit mehrere Millionen Opfer forderten.

Neben dem gesundheitlichen Elend sorgen Pandemien für wirtschaftliche Krisen. Sind die aktuellen Hilfsprogramme vor diesem Hintergrund gerechtfertigt? 

Mayer: Natürlich ist in Krisenzeiten immer Solidarität gefragt. Bei staatlichen Hilfsprorammen kommt es aber auch auf das Ausmaß an. Durch die gegenwärtige Krisenbekämpfung ohne jegliche finanziellen Grenzen entsteht eine gewaltige Belastung für die Zukunft. Und teure „Jahrhundertkrisen“ gibt es beinahe jedes Jahrzehnt: In den Nullerjahren kam die große Finanzkrise als teures „Jahrhundertereignis“ daher, im Jahrzehnt davor waren es die aus dem Ruder laufenden Kosten der deutschen Einheit.

Was können wir aus den vergangenen, ökonomischen Krisen lernen?

Mayer: Es ist höchste Zeit, die Illusion von der „einmaligen Jahrhundertkrise“ abzulegen und sich für wiederkehrende große Krisen besser zu wappnen. Dazu gehört die Schaffung robuster finanzieller und resilienter gesellschaftlicher Verhältnisse.

Gibt es Parallelen zwischen der Corona-Krise und der Finanzkrise, die vor gut zwölf Jahren begann?

Mayer: Natürlich wiederholt sich Geschichte nie, trotzdem gibt es Parallelen in der monetären Bekämpfung der Krise. Die große Finanzkrise von 2007/08 entstand durch Überschuldung von privaten Haushalten und Staaten, die sich in der Überschuldung von Banken widerspiegelte. Leider haben die Verantwortlichen in der Politik nur halbherzige Lehren daraus gezogen. Zwar verringerten private Haushalte in vielen Ländern ihre Verschuldung, und die Regulierungsbehörden zwangen die Banken größere Eigenkapitalpuffer aufzubauen. Aber die Zentralbanken setzten mit ihrer Niedrigzinspolitik Anreize zur noch höheren Verschuldung von Staaten und Unternehmen.

Und dann breitete sich das Coronavirus aus.

Mayer: Die Corona-Pandemie traf auf eine globale Wirtschaft, die so hoch verschuldet war wie noch nie in der Geschichte. Statt robust ist diese Wirtschaft fragil und wird durch die weitere Anhäufung von Schulden noch fragiler. Bei der nächsten „Jahrhundertkrise“ droht der Bankrott.

Was können wir aus den vergangenen Krisen lernen?

Mayer: Nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte sollte eigentlich jedem klar geworden sein, dass wir auch in Zukunft mit finanziellen, gesundheitlichen und mit uns jetzt noch gar nicht vorstellbaren „Jahrhundertkrisen“ rechnen müssen. Dazu müssten wir unsere Gesellschaft finanziell robust und resilient aufstellen.

Wie soll das gehen?

Mayer: Nutzen wir unseren gesunden Menschenverstand. Finanzielle Robustheit kann man nur durch niedrige Schulden schaffen, sodass man in Krisen nicht durch die in besseren Zeiten eingegangenen finanziellen Verbindlichkeiten in die Zahlungsunfähigkeit gedrückt wird. Die Finanzierung von noch mehr Schulden über die Schaffung neuen Geldes, wie es heute populär ist, mag zwar kurzfristig funktionieren, führt aber längerfristig in die Geldkrise.

Was bedeutet das, ganz konkret?

Mayer: Auch wenn das gegen die heutige Mode geht, muss es deshalb heißen: Verringerung öffentlicher und privater Verschuldung zur Schaffung größerer Finanzpolster für unvorhergesehene Belastungen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Prof. Dr. Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute in Köln und Honorarprofessor der Universität Witten-Herdecke.

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