Bei US Federal Reserve (Fed) und Europäischer Zentralbank (EZB) stehen die ersten Zinssitzungen im neuen Jahr an. Was Anlegerinnen und Anleger erwarten können.
Das neue Jahr beginnt, wie das alte endete: Die EZB befindet sich unverändert auf der Suche nach der richtigen Balance in ihrer geldpolitischen Ausrichtung. Dabei ist das Ziel, allzu hohe Inflationsraten möglichst rasch nach unten zu drücken, zuletzt einer neuen Zielsetzung gewichen – diese sieht eine nachhaltige Stabilisierung der Teuerungsraten um das Zwei-Prozent-Inflationsziel vor.
Das Nachjustieren der EZB-Kommunikation bedeutet allerdings (noch) nicht, dass das Zwei-Prozent-Inflationsziel bereits erreicht ist. Sichtbar wird dies an einer nach wie vor erhöhten Kerninflation in der Eurozone, die jüngst noch immer bei 2,7 Prozent lag. Insofern bestehen unverändert gewisse Aufwärtsrisiken für die Teuerungsraten im Euroraum.
Allerdings ist das Pendel in der Betrachtung der EZB zuletzt mehr und mehr in Richtung möglicher Abwärtsrisiken umgeschlagen. Einerseits, weil die Euro-Währungshüter von deutlich geringeren Lohnsteigerungen und damit auch einer insgesamt niedrigeren Inflation im Jahr 2025 ausgehen. Nach Schätzungen der EZB-Mitarbeiter dürfte die Lohninflation im Euroraum in 2024 mit zeitweise 5,4 Prozent ihren Höhepunkt erreicht haben, bevor sie im Laufe des Jahres 2025 allmählich auf durchschnittlich 3,2 Prozent sinkt.
Daneben betonte EZB-Chefvolkswirt Philip Lane noch einmal, dass die EZB auch dafür Sorge tragen müsse, dass die Wirtschaft nicht zu langsam wächst. Denn dann stünden die Notenbanker nur vor einem neuen Problem. In diesem Fall könnte sich die Inflation nämlich unter dem Zielwert von zwei Prozent stabilisieren.
Wie gegenwärtig das Risiko eines schwachen Eurozonen-Wachstums ist, zeigen die Wachstumsschätzungen der EZB-Mitarbeiter aus dem vergangenen Dezember. Zum dritten Mal in Folge revidierten sie ihre Projektionen für 2025 nach unten und erwarten nunmehr ein bescheidenes Wachstum von 1,1 Prozent.
In diesem Umfeld erscheint die grundsätzliche Stoßrichtung aus EZB-Sicht zwar klar, und den zurückliegenden Senkungen des EZB-Einlagenzins auf ein Niveau von 3,0 Prozent dürften dieses Jahr weitere folgen – die erste Zinssenkung des Jahres haben die Marktteilnehmer bereits für diesen Donnerstag eingepreist.
Die weitere Umsetzung des angestrebten geldpolitischen Pfads wird sich allerdings erst im Jahresverlauf konkretisieren. Die EZB war diesbezüglich sehr deutlich und möchte davon absehen, sich vorab auf die Geschwindigkeit und das Ausmaß der geldpolitischen Lockerung festzulegen. So wie das Eichhörnchen mühsam Nuss für Nuss knackt, bleibt also auch die EZB ihrem datenabhängigen „meeting-by-meeting“-Ansatz treu.
In den Vereinigten Staaten von Amerika sehen sich die US-Notenbanker derzeit einer Gemengelage gegenüber, die nennenswert von derjenigen im Euroraum abweicht. Nach aktuellen Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) könnte die US-Wirtschaft in 2025 um 2,7 Prozent wachsen und den Schwung aus dem Vorjahr mitnehmen.
Eine leidige Begleiterscheinung haben die robusten Wachstumsaussichten dann aber doch. Denn die Inflation erweist sich nach wie vor als äußerst hartnäckig. Nach Einschätzung der Fed könnte die US-Inflation im vierten Quartal 2025 mit 2,5 Prozent weiter ein gutes Stück über dem Zwei-Prozent-Ziel liegen. Damit ist vorerst auch kein unmittelbarer Handlungsdruck gegeben, die US-Leitzinsen von ihrer derzeitigen Bandbreite von 4,25 bis 4,50 Prozent spürbar weiter zu senken.
Das bestehende Spannungsfeld schlägt sich auch sichtbar in den aktuellen Markterwartungen für das laufende Jahr nieder. Während die Zinsen nach Ansicht der Marktteilnehmer beim ersten Zinsentscheid des Jahres konstant gehalten werden dürften, wird auch für das restliche Jahre mit lediglich zwei Zinssenkungen gerechnet.
Für all diejenigen, die ein bisschen „rumspinnen“ möchten, lassen sich derzeit sogar Szenarien kreieren, in denen die US-Notenbank gezwungen sein könnte, den Zinsschalter nach drei Zinssenkungen im vergangenen Jahr wieder umzulegen – auch deswegen, weil bei allen Überlegungen zur US-Geldpolitik derzeit eine große Unbekannte besteht, und die heißt Donald Trump.
Bereits im November 2024 ließ US-Notenbankchef Jerome Powell verlauten, dass die Wahl des US-Präsidenten kurzfristig keine Auswirkungen auf die geldpolitischen Entscheidungen haben wird. Das könnte sich mit der zurückliegenden Vereidigung Trumps aber allmählich ändern. Vorausgesetzt, dass sich „Tweets“ und Drohgebärden in konkrete Maßnahmen übersetzen, die im Laufe der Zeit wirtschaftliche Auswirkungen haben.
Doch selbst wenn der Maßnahmenkatalog konkreter wird, sind die Handlungsableitungen aus Sicht einer US-Notenbank nicht immer eindeutig. So würden höhere US-Zölle das Preisniveau in den USA zunächst weiter ansteigen lassen, denn sie verteuern importierte Waren.
Kurzfristig würden höhere Zölle also inflationär wirken. Gleichzeitig können Handelsstreitigkeiten aber auch das Wirtschaftsklima belasten, sodass Investitionen zurückgehalten werden und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage leidet. Mittelfristig ließe sich daher auch argumentieren, dass Zölle eine disinflationäre Wirkung entfalten können.
Das Beispiel der Zölle veranschaulicht, wie schwer es bereits sein kann, die geldpolitischen Implikationen einer einzelnen fiskalpolitischen Maßnahme zu beurteilen. Zusammen mit unzähligen weiteren, oftmals gegenläufigen Faktoren, macht dies Inflations- und Wirtschaftsprognosen zu einem undankbaren Unterfangen. Die Fed weiß das nur zu gut, wie Powell in der Vergangenheit wiederholt betonte.
Während sich EZB und Fed derzeit vor allem mit ihrer Zinspolitik beschäftigen, ist eine andere Notenbank bereits einen Schritt weiter. Toni Gravelle, Ratsmitglied der Bank of Canada (BoC), ließ Mitte Januar verlauten, dass die kanadische Notenbank die erste große Zentralbank sein könnte, die den Abbau ihrer pandemiebedingten Anleihekäufe demnächst abgeschlossen haben wird.
Kanadas Notenbanker rechnen mit einem Ende des Bilanzabbaus noch in der ersten Jahreshälfte 2025. Dass die BoC so früh dran ist, hat verschiedene Gründe. Einer ist, dass Kanada in der Pandemie einen Großteil der Anleihen mit relativ kurzen Restlaufzeiten erwarb.
Damit erscheint die Rückkehr zur geldpolitischen Normalität in Kanada zum Greifen nah. Doch ist Normalität in diesem Fall nicht gleichbedeutend damit, dass alles wie vorher sein wird. Die wesentliche Botschaft ist vermutlich, dass die Notenbankbilanz zukünftig größer ausfallen wird als vor der Pandemie.
Das wird damit begründet, dass die BoC in Zukunft mehr liquide Vermögenswerte vorhalten möchte, die bei unerwarteten Finanzierungs- oder Liquiditätsschocks als Puffer dienen können. Derartige Überlegungen sind keineswegs neu und perspektivisch werden sie auch in der Eurozone oder den USA wieder mehr Aufmerksamkeit erfahren. Beispielsweise verkündete die US-Notenbank bereits im Januar 2022, dass sie auch nach dem Ende des Bilanzabbaus weiterhin umfangreiche Reserven vorhalten möchte.
Wie umfangreich diese Reserven bei EZB und Fed in der Praxis ausfallen werden, werden künftige Diskussionen zeigen. In diesem Zusammenhang dürfte das Jahr 2025 zahlreiche Informationen auf dem Weg in die neue Normalität bereithalten.
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