Nicht weniger als ein „Goldenes Zeitalter“ stellte der US-Präsident seiner Wählerschaft in Aussicht. Zielkonflikte interessieren ihn nicht: Er möchte Steuern und Schulden gleichzeitig senken. Kann das funktionieren?
Die Erfahrung aus der ersten Amtszeit von Donald Trump lautet: Man muss ihn ernst nehmen, auch wenn man nicht alles ernst nehmen muss, was er sagt. Weder hat er die NATO verlassen noch Zölle auf europäische Autoimporte verhängt, Nordkorea bombardiert oder die mexikanische Grenze mit einer durchgehenden Grenzmauer geschlossen.
Man weiß jedoch nie, wie ernst er etwas meint. Übertreibungen gehören zu seinem Verhandlungsstil, deshalb laufen Prognosen zu seiner Politik immer Gefahr, vom Chaos eingeholt zu werden.
In einem Interview mit dem Wall Street Journal im Oktober 2024 hat Trump behauptet, dass Chinas Präsident Xi Jinping ihn respektiere, weil er „fucking crazy“ sei.
Bereits vor seiner Amtseinführung bemühte er sich, diese Selbsteinschätzung zu bestätigen. Grönland, Kanada, der Panamakanal: Nichts scheint vor ihm sicher. Trump setzt die exzeptionelle wirtschaftliche und militärische Macht der USA als Druckmittel ein, wo immer es ihm gefällt.
In der Wahlnacht hat Trump angekündigt, was er in den kommenden Jahren alles zu tun gedenkt: Kriege beenden, Grenzen sichern, die Inflation besiegen, Schulden zurückzahlen, das US-Wachstum ankurbeln und Jobs schaffen. Kurzum: ein „Goldenes Zeitalter“ für die USA. Die Frage ist, was kann davon Realität werden?
Zielkonflikte sind offensichtlich: Verschuldung und Steuern gleichzeitig senken, Zölle erhöhen, Immigranten ausweisen und gleichzeitig die Inflation bekämpfen.
Die hohe Inflation der Biden-Jahre war mit ausschlaggebend für Trumps Wahlerfolg. Hier lauert ein großes Risiko für Trump. Sollte die Inflation wieder anziehen (etwa wegen hoher Importzölle oder der massenhaften Ausweisung illegaler Arbeitskräfte) würde das Trump auf die Füße fallen.
Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass Trump seine Drohung, alle Importwaren mit hohen Zöllen zu belegen, umsetzen wird. Das würde die Preise auf breiter Front in die Höhe treiben und seine Gefolgschaft besonders treffen.
Bleibt das Versprechen, die Staatsverschuldung zu senken. Das Einnahmeloch der US-Regierung betrug zuletzt 1,8 Billionen US-Dollar, was rund sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht – und das trotz boomender Wirtschaft.
Die erhofften Einsparmöglichkeiten der von Elon Musk geleiteten Effizienzkommission für den Beamtenapparat sollen perspektivisch Einsparungen von zwei Billionen Dollar bringen. Das scheint illusorisch. Gut die Hälfte des knapp 6,8 Billionen US-Dollar schweren Haushalts wird für Sozialausgaben aufgewendet, von denen gut zwei Billionen auf die Altersvorsorge und Krankenversicherung für Rentner (Medicare) entfallen.
Hier will Trump nicht ran, denn die inzwischen im Rentenalter befindlichen Babyboomer gegen sich aufzubringen wäre keine gute Idee. Rund eine weitere Billion geht für Zinsen drauf, die müssen bezahlt werden. Ebenso unantastbar sind die 900 Milliarden Dollar an Verteidigungsausgaben.
Dann bleiben 1,5 Billionen Dollar an diskretionären Ausgaben übrig. Wenn es gelänge, diese um ein Viertel zu kürzen, bliebe unterm Strich ein Einsparungspotenzial von rund 400 Milliarden US-Dollar. Das sind etwa 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung, sodass die Neuverschuldung im günstigsten Fall auf knapp fünf Prozent des BIP fallen würde.
Es sieht also nicht danach aus, als könne es Trump gelingen, die Schuldenquote merklich zu senken. Mit 36 Billionen Dollar macht die US-Verschuldung auf Bundesebene aktuell rund 120 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts aus beziehungsweise 100 Prozent, wenn man die zwischenstaatlichen Kredite herausrechnet.
Damit ist sie ähnlich hoch wie in der Eurozone. Allerdings haben die USA das Privileg, die unangefochtene globale Reservewährung zu besitzen, was ihren Spielraum bei der Schuldenaufnahme erweitert. Doch auch der hat seine Grenzen.
Ein großer, unsichtbarer Elefant sitzt Trump im Nacken. Ein Wächter seiner Politik, der ihn einhegen kann, wie sonst kein Land oder Verhandlungspartner auf der Welt: der Bondmarkt.
Keine Regierung der Welt kann sich dauerhaft erfolgreich gegen ihre Gläubiger stellen. Sollten Investoren keine US-Staatsanleihen mehr kaufen oder halten wollen, weil sie das Vertrauen in die Politik der US-Regierung und die finanzielle Stabilität des Landes verloren haben, wird es auch für Trump eng.
Liz Truss, die frühere Premierministerin des Vereinigten Königreichs, musste dies im Oktober 2022 erfahren, als ihre unfinanzierbaren Steuersenkungspläne die Zinsen britischer Staatsanleihen in die Höhe schießen ließen und sie nach weniger als zwei Monaten aus dem Amt katapultierten.
Das hat Donald Trump zwar nicht zu befürchten, doch auch ein US-Präsident kann seine schuldenfinanzierten Steuersenkungspläne nicht ohne das Wohlwollen der Kapitalmärkte umsetzen. Irgendwer muss die Schulden beziehungsweise Staatsanleihen ja schließlich kaufen.
Auch deshalb muss Trump ein wirtschafts- und wachstumsfreundliches Umfeld wahren, um den Standort USA für Investoren attraktiv zu halten oder noch attraktiver zu machen. Sein Ziel „Make America Great Again“ bedeutet für ihn Wirtschaftswachstum, mehr Jobs und steigende Aktienkurse.
Trump konnte sein Kabinett, anders als nach seiner überraschenden Wahl vor acht Jahren, etwas bedachter zusammenstellen. Zwar sind nicht alle Posten mit ausgewiesenen Experten besetzt, was sich allerdings auch nicht vom noch amtierenden deutschen Regierungskabinett behaupten lässt.
Bedenklich ist jedoch die enge Verbindung von „Big Tech“ und „Big Government“, die ein Machtsystem befördert, das zu einer Vettern- oder Günstlingswirtschaft („crony capitalism“) heranwachsen könnte.
In einem solchen System basiert wirtschaftlicher Erfolg weniger auf freiem Wettbewerb oder Leistung, sondern eher auf engen Beziehungen zwischen Politik, Wirtschaft und einzelnen Akteuren. Dabei profitieren Unternehmen oder Einzelpersonen durch politische Begünstigungen wie Subventionen, Steuererleichterungen, regulative Vorteile oder Aufträge.
Unweigerlich kommt einem da Elon Musk in den Sinn. Vordergründig könnte das die Ausnahmestellung der USA weiter zementieren, doch hier lauert auch eine Gefahr für den US-Exzeptionalismus.
Wenn das System der „checks and balances“ in den USA nicht mehr funktioniert, könnte die enge Verflechtung von „Big Tech“ und „Big Government“ die Innovationskraft der Unternehmen und die Dynamik der Wirtschaft schwächen und damit die Vormachtstellung der USA in diesem Bereich gefährden.
(Foto von The Now Time auf Unsplash)
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