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Gesellschaft
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Chinas Plan

- Shenwei Li

China ist eine ökonomische Weltmacht – trotz Planwirtschaft. Die chinesische Analystin Shenwei Li berichtet aus Shanghai, welche Ziele sich das Land in den nächsten Jahren gesetzt hat.

China ist ein kommunistisches Land. Trotz des Wirtschaftsbooms, der vor allem von der Privatwirtschaft getragen wird. Trotz der riesigen Unterschiede bei den Vermögen – und eines wachsenden Bürgertums, dessen Selbstbewusstsein zunimmt. Nach alter kommunistischer Tradition gibt es in China (zumindest offiziell) noch eine „Planwirtschaft“. Im Herbst vergangenen Jahres haben unsere Parteiführer die Grundlagen für den neuen, vierzehnten, Fünf-Jahres-Plan erarbeitet, der für die Jahre 2021 bis 2025 gelten soll.

Die Textwerke sind sehr vielseitig, reichen von der Innenpolitik bis zur Ökonomie. Für Beobachter aus dem Westen sind sie nicht immer einfach zu verstehen, was wohl auch an der ambivalenten Wortwahl liegt. Trotzdem ist ein Fünf-Jahres-Plan für uns sehr wichtig, weil sich alle politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten daran ausrichten. Wir haben das neue Werk einmal mit der vorherigen Ausgabe verglichen.

Ziemlich spektakulär erscheinen die Klimaziele. Im Jahr 2030 soll der Höhepunkt der chinesischen CO2-Emission erreicht werden, bis zum Jahr 2060 soll China dann „CO2-neutral“ sein. Details, wie unsere „Klimawende“ genau funktionieren soll, sparen die Autoren leider aus. Einen Eindruck gibt aber ein Plan zur Entwicklung von Elektrofahrzeugen in China. Demnach soll bereits im Jahr 2025 jedes fünfte Verkehrsmittel mit Strom angetrieben werden. Diese Quote wurde im Vergleich zum alten Plan um fünf Prozentpunkte gesenkt, was das Vorhaben etwas realistischer erscheinen lässt.

Aktionäre, darunter sicher auch einige Spekulanten, nehmen den Trend zu Elektrofahrzeugen sehr ernst. Ende vergangenen Jahres war beispielsweise ein chinesisches Elektro-Start-up höher bewertet als die bekannten Autohersteller in Deutschland.

Der neue Nationalismus

Die nationalen Interessen Festland-Chinas werden nun sehr viel prägnanter beschrieben als im letzten Fünf-Jahres-Plan. Es ist kein Wort mehr darüber enthalten, dass Hong Kong ein unabhängiges Finanz- und Handelszentrum bleiben soll. Hong Kong soll auf Sicht wohl auf Augenhöhe mit Shanghai agieren – und außerdem mit Macau, der Provinz Guangdong und Peking zu einem globalen technologischen Innovationszentrum verschmolzen werden.

Mit Blick auf Taiwan ist die Wortwahl noch deutlicher: Während im letzten Fünf-Jahres-Plan noch viel über eine Kooperation zwischen beiden Staaten geschrieben wurde, taucht diesmal das Wort „Wiedervereinigung“ auf. Die Logik dahinter: Wenn Zuckerbrot nicht funktioniert, bleibt nur die Peitsche übrig. Eine noch expansivere Außenpolitik könnte in den nächsten Jahren zu internationalen Konflikten führen, zumindest wenn der Westen nach den Verwerfungen der Corona-Pandemie nicht andere Prioritäten als Taiwan und Hong Kong hat.

„Die Armen mit ins Boot holen“

Die Umverteilung von Wohlstand, ursprünglich eines der Hauptziele kommunistischer Politik, feiert ein (kleines) Comeback. Explizit wird das Ziel gesetzt: „zusammen reich zu werden“. Hier soll im nächsten Quinquennium ein „spürbarer Fortschritt“ erzielt werden. Erinnerungen an Deng Xiaoping werden wach („Diejenigen, die als Erste reicher geworden sind, sollten die Armen langsam ins Boot holen“).

Nach mehr als 30 Jahren wirtschaftlichen Aufschwungs scheint es aber eher so, dass die neue Elite wenig Lust verspürt, ihr Boot mit anderen zu teilen. Staatliche Eingriffe sollen das ändern. Wir haben aus unserer Geschichte gelernt, was passieren würde, wenn die gesellschaftlichen Unterschiede weiter wachsen würden.

Konkret avisiert der neue Fünf-Jahres-Plan Anpassungen bei übermäßig hohen Einkommen (was wohl gleichfalls Gehaltserhöhungen bei Geringverdienern bedeutet). Außerdem: Steuererhöhungen für Gutverdiener (was auch spezielle Direktsteuern oder Vermögenssteuern bedeuten kann), Verbesserungen bei Sozialmaßnahmen und Verschärfungen im Kartellrecht (ein stärkerer Wettbewerb um Arbeitskräfte soll die Löhne steigen lassen).

Immobilien sollen zum Wohnen, nicht zum Spekulieren genutzt werden. Es könnte einen gewissen Verbraucherschutz geben, etwa bei den sehr leicht zu bekommenden und beliebten Konsumkrediten. Zuletzt machte etwa ein Kredit für eine Luxus-Damenuhr für umgerechnet 67.000 Euro von sich reden, der zu null Prozent Zinsen in zwei Jahren zu Monatsraten von knapp 2.700 Euro getilgt werden konnte.

Wenn sich die Chinesen an einen übermäßigen Konsum gewöhnen, ohne gleichzeitig Ersparnisse anzusammeln, würde vielen Menschen Armut drohen. Gäbe es aber einen Mentalitätswechsel und ein anerkanntes Ziel, tatsächlich „zusammen reich“ werden zu wollen, dann wäre ein kurzfristiger sozialer Gesichtsverlust, wenn Statussymbole nicht mehr leistbar sind und fehlen, wohl nicht mehr so schlimm.

Oder die Hersteller und Händler würden einsehen, dass Käufer, die sich Luxuswaren wie Uhren nur auf Pump leisten können, wahrscheinlich nicht die ideale Zielgruppe sind. Ob ein Fünf-Jahres-Plan aber die menschliche Natur in diesem Sinne ändern kann, wird sich zeigen.

Bleiben die Auswirkungen des demografischen Wandels: 18 Prozent der Chinesen sind älter als 60 Jahre. Schon im Jahr 2015 wurde die Ein-Kind-Politik abgeschafft, im neuen Plan fehlt erstmals das Wort „Geburtenkontrolle“. Neben einer größeren Toleranz für Familien mit mehreren Kindern rücken auch Ruhestandsregeln in den Fokus. Chinesinnen gehen derzeit mit 50 Jahren in Rente, die Männer mit 60 Jahren.

Natürlich wäre es mit Blick auf die Altersvorsorge besser, länger zu arbeiten. Andererseits würden berufstätige Senioren bei der Betreuung der Enkelkinder ausfallen. Das würde ein Problem auslösen. Denn bei uns müssen die meisten Mütter arbeiten, die Beschäftigungsquote der chinesischen Frauen liegt bei rund 70 Prozent. Da das Bildungsniveau der Frauen hierzulande zunimmt und die Beschäftigung als Hausfrau nicht als Traumjob gilt, hätte das zur Folge, dass viele Frauen mit Karriereambitionen auf Kinder verzichten würden.

Auch ökonomisch sollte man die Kaufkraft der Chineseninnen mit eigenem Einkommen nicht unterschätzen. Die demographische Entwicklung ist vielleicht das größte strukturelle Problem Chinas, daran kann auch der neue Fünf-Jahres-Plan kaum was ändern. Aber „ein wenig ist besser als gar nichts“, und man freut sich natürlich über jede Unterstützung durch die Familienpolitik.

Die Kolumne von Shenwei Li ist in der aktuellen Ausgabe unseres Magazins Position erschienen.

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