Der US-Aktienmarkt hat zuletzt deutlich korrigiert, allen voran die Aktien der Tech-Konzerne. Dr. Tobias Schafföner, Portfoliomanager, und Thomas Lehr, Kapitalmarktstratege, sprechen über die Gründe dafür – und was daraus folgen könnte.
Lehr: „Wenn der Clown in den Palast einzieht, wird der Clown nicht zum Sultan, sondern der Palast zum Zirkus“ – so ein türkisches Sprichwort. Wie weit ist das Weiße Haus noch vom Zirkus entfernt?
Schafföner:Es war nie näher dran. Die erratische Politik von Präsident Trump zerstört Vertrauen in die US-Regierung – das Vertrauen der Konsumenten, der Unternehmen und politischen Verbündeten.
... und wohlgemerkt: wir reden hier nicht von einzelnen Entscheidungen, sondern von einem grundsätzlichen Stimmungswechsel in der Politik.
Wobei wir differenzieren und uns die verschiedenen Markttreiber genauer anschauen sollten. Ich würde die unter den folgenden Oberbegriffen zusammenfassen wollen: Geopolitik, Außenhandel und Technologieaktien.
Starten wir mit der Geopolitik. Da gibt es etwa die zunehmende, wenn auch schwer greifbare Furcht, dass die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sich zu einem Flächenbrand ausbreiten könnten. Auf die europäische Fiskalpolitik etwa wirkt sich das bereits aus.
Wenn Europa sich nicht mehr auf die USA als Verbündete verlassen kann, hat das höhere Rüstungsausgaben und eine lockerere Fiskalpolitik zur Folge. Und dazu müssen wir gar nicht wissen, wie der Schuldenstreit in Deutschland im Detail ausgeht; wir müssen aber davon ausgehen, dass Mittel und Wege gefunden werden, die Schuldenbremse zu lösen und die Staatsausgaben weiter zu erhöhen.
Heißt aus Anlegersicht: Der strukturelle Inflationsdruck bleibt hoch.
Zumal da ja auch noch die protektionistische Außenhandelspolitik von Trump ist. Zölle sind erst einmal nichts anderes als Steuern für Konsumenten. Zölle erhöhen die Preise!
Wobei es sehr wohl gesamtwirtschaftliche Effekte gibt. Quasi über Nacht sind die Importe der US-Unternehmen aus Sorge vor Zöllen angestiegen. Das belastet das US-Wachstum. Nicht umsonst macht der Begriff „Trumpcession” die Runde, also eine von Trump ausgelöste Rezession.
Was gar nicht so abwegig ist. Wenn wir auf die Zollpolitik schauen, haben wir einerseits inflationäre Effekte, aber nichts, was die US-Wirtschaft andererseits wettbewerbsfähiger machen oder das Wachstum ankurbeln würde – das Gegenteil ist der Fall. Die Unsicherheit wächst, und das Konsumentenvertrauen bröckelt. Beides lastet auf der Investitions- und Konsumneigung.
Wenn wir uns die Kursentwicklung in den USA genauer anschauen, dann sind es nicht die US-Konsumgüterunternehmen, deren Aktien leiden; es sind die Technologietitel, die korrigieren. Inwiefern spielt hier immer noch die Veröffentlichung eines KI-Modells durch das chinesischen StartUp DeepSeek eine Rolle? Ein KI-Modell, das – vereinfacht gesagt – mit ChatGPT vergleichbar, aber deutlich kostengünstiger und effizienter ist.
Zumindest hat diese Nachricht die Anleger „aufgeweckt“. Wir sollten aber nicht vergessen, dass wir in den vergangenen Jahren eine Aktienmarktrally erlebt haben, die stark von einem einzelnen Sektor getrieben war. Das Resultat waren steigende Kurse und Bewertungen bei Tech-Titeln, während Aktien – zumindest 2024 – in der Breite gar nicht teurer geworden sind.
Darüber hatten wir zum Jahreswechsel intensiv diskutiert.
Und im Ergebnis hatten wir Anpassungen im Portfolio vorgenommen: Sehr gut gelaufene und höherbewertete Titel – insbesondere aus dem Tech-Sektor – wurden reduziert, Positionen aus dem Sektor „nicht-zyklischer Konsum“ dagegen aufgestockt. Natürlich passiert das nicht binär, sondern Schritt für Schritt. In Summe haben die Anpassungen der Aktienperformance in diesem Jahr sicherlich geholfen, wenngleich wir uns der jüngsten Marktentwicklung nicht gänzlich entziehen konnten.
Den größten Einfluss dürfte das Währungspaar Euro/Dollar gehabt haben ...
So ist es. Da lässt sich auf alle drei zuvor diskutierten Treiber Bezug nehmen: Anlegerinnen und Anleger, die in der Vergangenheit von der US-Tech-Rally profitieren wollten, haben dafür direkt oder indirekt Dollar gekauft. Die Euphorie in diesem Sektor ist deutlich abgekühlt. Trumps Außenhandelspolitik belastet zusätzlich die US-Konjunkturaussichten. Und in Europa wird – wenn auch nicht besonders nachhaltig – Wachstum auf Pump finanziert. In Summe hat der Dollar in vier Wochen um rund sieben Prozent abgewertet. Da wir Fremdwährungen, allen voran den Dollar aus Gründen der Diversifikation nur teilweise absichern, haben wir das deutlich gespürt.
Die unterschiedliche Konjunkturentwicklung in Europa und den USA lässt sich auch an den Staatsanleiherenditen ablesen: In den USA sind die 10-jährigen Renditen von in der Spitze 4,8 Prozent auf zuletzt 4,2 Prozent gefallen, die Renditen von 10-jährigen Bundesanleihen dagegen sind von 2,5 Prozent auf 2,9 Prozent gestiegen. Was bedeutet das für die Portfoliokonstruktion, wenn wir mit der Anleiheseite beginnen?
Bei den Anleihen zeigt sich, dass – je nach Risikoszenario – eine gewisse Zinssensitivität durchaus puffern kann. Fallende Renditen in den USA bedeuten im Umkehrschluss steigende Anleihekurse. Beim Bund würde ich sagen, dass wir uns noch im Niemandsland befinden. Angesichts der strukturellen Inflationstreiber sind 2,9 Prozent bei 10-jährigen Bundesanleihen nicht wenig, aber auch nicht viel. Wenn die Renditebewegung anhält, können wir aber auch bei den Euro-Anleihen die Zinssensitivität erhöhen.
Spannender wird es auf der Aktienseite. Sind das schon Kaufkurse?
Grundsätzlich haben sich bei „unseren“ Unternehmen die Gewinnperspektiven nicht fundamental verändert. Es sind eher die Bewertungen, die deutlicher schwanken – bei manchen Titeln nach oben, bei anderen nach unten. In so einer Situation bieten sich Gelegenheiten, nachzukaufen oder neue Titel, die sich unseren Kaufkursen nähern, ins Portfolio aufzunehmen. Grundsätzlich haben wir relativ viel Spielraum bis zu unseren maximalen Aktienquoten – wir würden eine deutlichere Korrektur entsprechend auch nutzen. Bei den Kaufkandidaten reden wir aber immer über Titel, die möglichst wenig von der politischen Situation abhängig sind – deren Geschäftsmodelle sich dem Umfeld anpassen können.
Das klingt immer so profan, ist aber der entscheidende Punkt: Wenn die strukturellen Inflationstreiber bleiben – und wir haben bei allen Entwicklungen guten Grund zu der Annahme, dass sie bleiben – dann ist es auch nach vorne schauend sinnvoll, „in Aktien” investiert zu bleiben. Und mit „Aktien” meinen wir nicht „Aktien“ im Allgemeinen, sondern Aktien von Unternehmen, die weitgehend unabhängig von politischen Einflüssen und anpassungsfähig sind. Es bleibt aber bei dem Hinweis, den wir nicht zuletzt 2022 gegeben haben: Kursschwankungen sind der Preis, den Anleger für langfristigen Kaufkrafterhalt zu zahlen haben.
Verschiedene Fachbegriffe aus der Welt der Finanzen finden Sie in unserem Glossar erklärt.
RECHTLICHER HINWEIS
Diese Veröffentlichung dient unter anderem als Werbemitteilung.
Die in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen und zum Ausdruck gebrachten Meinungen geben die Einschätzungen von Flossbach von Storch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Angaben zu in die Zukunft gerichteten Aussagen spiegeln die Zukunftserwartung von Flossbach von Storch wider, können aber erheblich von den tatsächlichen Entwicklungen und Ergebnissen abweichen. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann keine Gewähr übernommen werden. Der Wert jedes Investments kann sinken oder steigen und Sie erhalten möglicherweise nicht den investierten Geldbetrag zurück.
Mit dieser Veröffentlichung wird kein Angebot zum Verkauf, Kauf oder zur Zeichnung von Wertpapieren oder sonstigen Titeln unterbreitet. Die enthaltenen Informationen und Einschätzungen stellen keine Anlageberatung oder sonstige Empfehlung dar. Sie ersetzen unter anderem keine individuelle Anlageberatung.
Diese Veröffentlichung unterliegt urheber-, marken- und gewerblichen Schutzrechten. Eine Vervielfältigung, Verbreitung, Bereithaltung zum Abruf oder Online-Zugänglichmachung (Übernahme in andere Webseite) der Veröffentlichung ganz oder teilweise, in veränderter oder unveränderter Form ist nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung von Flossbach von Storch zulässig.
Angaben zu historischen Wertentwicklungen sind kein Indikator für zukünftige Wertentwicklungen.
© 2025 Flossbach von Storch. Alle Rechte vorbehalten.