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Geldanlage
3 Minuten

„Timing ist Glückssache“

- Philipp Vorndran

Die Stimmung an den Börsen ist zwischenzeitlich auch mal schlecht. Was bedeutet das für eine langfristig ausgerichtete Anlagestrategie? Thomas Lehr und Philipp Vorndran über den Versuch, den besten Einstiegszeitpunkt zu finden – oder den besten Ausstiegszeitpunkt.

Philipp, sollten Anleger derzeit Aktien kaufen?

Philipp Vorndran: Selbstverständlich! Thomas?

Thomas Lehr: Selbstverständlich!

Aber nehmen wir doch die großen Aktienindizes – die stehen zum Teil noch immer über ihren Niveaus von kurz vor dem Corona-Ausbruch. Die Zahl der Risiken und Krisen ist seither dagegen deutlich gestiegen ...

Vorndran: Und deshalb sollte ich jetzt keine Aktie kaufen? Weil mir mein Gefühl sagt, die Welt steht heute schlechter da als Ende 2019 – und deshalb müssen die Aktienkurse noch weiter fallen? Ganz unabhängig davon, ob ihr mit dieser Einschätzung richtig liegt oder nicht: Die Herangehensweise ist falsch!

Und was wäre die richtige Vorgehensweise?

Lehr: Löst euch von den Indexständen und schaut stattdessen auf die einzelnen Unternehmen. Oder sucht euch einen guten Fondsmanager, der das für euch tut. Wie robust ist das Geschäftsmodell eines Unternehmens und, davon abhängig, wie sehen die Wachstumsaussichten und das langfristige Ertragspotenzial aus. Wenn ihr gute Unternehmen findet, deren aktueller Preis niedriger ist als der Wert, den ihr den Unternehmen langfristig beimesst, dann ist sicherlich kein schlechter Zeitpunkt, Aktien dieser Unternehmen zu kaufen, ganz unabhängig davon, wo der Index steht.

Vorndran: Das heißt natürlich nicht, dass die Aktienkurse guter Unternehmen nicht fallen können, zum Teil deutlich fallen. Die Krisen und Risikofaktoren, die derzeit auf die Stimmung an den Kapitalmärkten drücken, werden jedenfalls nicht über Nacht verschwinden.

Du hast mal gesagt, Timing sei reine Glückssache, Philipp ...

Vorndran: Und dabei bleibe ich. Wobei ich damit nicht ausdrücken wollte, dass der Kaufzeitpunkt völlig egal ist – das ist er natürlich nicht. Der Gewinn liegt bekanntlich auch im Einkauf. Insofern denken wir da wie gute Kaufleute.

Was wolltest Du denn damit ausdrücken?

Vorndran: Mir ging es vor allem darum, zu betonen, dass es langfristig wenig sinnvoll ist, immer den vermeintlich bestmöglichen Einstiegszeitpunkt erwischen zu wollen. Zu gierig zu sein und zu glauben, man sei schlauer als alle anderen.

Lehr: Die Gefahr, sich dabei zu verzetteln, ist schlicht zu groß.

Trotzdem: Wenn ich jetzt im großen Stil Aktien kaufe, könnte ich, wenn die Folgen von Krieg und Inflation so richtig durchschlagen auf die Unternehmensbilanzen, ziemlich dumm dastehen ...

Lehr: Mal ganz davon abgesehen, dass Inflation nichts anderes bedeutet, als dass Unternehmen Preise anheben, denn sonst gäbe es keine Inflation; es also nicht zwingend schlecht sein muss für deren Bilanzen – was spricht denn dagegen, in kleinem Stil zu investieren? Schritt für Schritt? Langfristige Geldanlage heißt niemals „ganz oder gar nicht“.

Vorndran: Die Deutschen denken leider so – „schwarz oder weiß“. Aber das ist Blödsinn! Deswegen sind Sparpläne so ein wunderbares Instrument. Sie disziplinieren. Wenn es an den Börsen turbulent zugeht und die Kurse unter Druck sind, über einen längeren Zeitpunkt, kaufen Anleger zu günstigen Kursen munter weiter. Und weiter. Und weiter.

Lehr: Letztlich sind es genau diese Phasen, über die wir in zehn Jahren vermutlich sagen werden: Das war damals nicht die allerschlechteste Zeit, um Aktien zu kaufen!

Was ist, wenn der Krieg in der Ukraine eskaliert und Russland möglicherweise Atomwaffen einsetzt?

Lehr: Es wäre eine Katastrophe – und das, was dann an der Börse passieren würde, vermutlich eines unserer kleineren Probleme!

Vorndran: Als Investoren können wir nicht immer vom Schlimmstmöglichen ausgehen. Wenn wir das täten, dürften wir das Haus nicht mehr verlassen. Geldanlage muss konstruktiv sein. Die Risiken im Blick haben, sie versuchen zu verstehen, aber sich niemals davon leiten lassen. Was heißt denn konstruktiv sein?

Lehr: Nach guten Unternehmen schauen. Nach Unternehmen, die selbst größere Krisen weitgehend schadlos überstehen.

Vorndran: Und dann geduldig sein.

Thomas Lehr und Philipp Vorndran sind Kapitalmarktstrategen bei der Flossbach von Storch AG in Köln. Im Magazin Position finden Sie regelmäßig ihre Rubrik „Stratege & Stratege“.

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