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Märkte
4 Minuten

Aktiv, nicht reaktiv!

- Kubilay Yalcin

Die hohen Kursschwankungen an den globalen Aktienmärkten verunsichern Anlegerinnen und Anleger weltweit. Was ist jetzt zu tun?

Die Abwärtsspirale begann in Japan. Der Aktienindex Nikkei verlor an einem Handelstag (05.08.) 12,4 Prozent und verzeichnete damit den größten Tagesverlust seit dem 20. Oktober 1987. Auch die US-Technologiebörse Nasdaq und der deutsche Aktienindex Dax verzeichneten zeitweise hohe Verluste. Und der VIX, ein Indikator für die Volatilität des US-Aktienmarktes - und damit für den "Angstzustand" der Marktteilnehmer -, erreichte im Tagesverlauf die Marke von mehr als 60 Punkten. Ein Wert, der zuletzt während der Pandemie gesehen wurde.

Und als sei das alles nicht genug, konnten einige der großen US-Tech-Unternehmen, die in den Wochen zuvor mehrere wichtige Indizes nach oben gezogen hatten, die enormen Erwartungen der Marktteilnehmer nicht erfüllen, so dass es bei einzelnen Aktien zu hohen Kursverlusten kam.

Schnell war von einem „Crash“ die Rede, auch wenn der Nikkei letztlich rasch wieder zulegte. Doch wie so häufig begann in dieser heißen Phase eine panische Suche nach dem Verursacher. Und wer suchte, kam zu dem Ergebnis, dass die US-Börse heftig auf US-Arbeitsmarktdaten reagiert hatte, da weniger Jobs geschaffen worden waren als erwartet. Würde die US-Notenbank mit der immer wieder verschobenen Zinswende nun vielleicht zu spät reagieren? Befand sich die US-Ökonomie bereits auf dem Weg in eine Rezession?

Für viele beunruhigende Vorstellungen. Doch panisch nach Verursachern zu suchen, um dann die eigene Anlagestrategie reaktiv auf die neuen Marktverhältnisse einzustellen, funktioniert aus unserer Sicht eigentlich nie und kann sogar gefährlich sein. Wo die Gefahren liegen und wie wir auch in solchen Marktsituationen aktiv statt reaktiv vorgehen.

Nicht der Glaskugel vertrauen

Fakt ist, dass viele Industriegüterhersteller zuletzt über eine deutliche Abkühlung der Nachfrage berichteten und ihre Jahresausblicke reduzieren mussten. Ebenso lassen sich Preissteigerungen nur noch in moderaten Dosen durchsetzen. Auch die Ergebnisse einiger Konsumgüterunternehmen sprechen hier eine klare Sprache. So berichtete beispielsweise McDonald´s unlängst, dass Konsumenten deutlich zurückhaltender geworden seien und häufiger zuhause essen. Daher sah sich der Fast-Food-Riese gezwungen, günstige Menüs einzuführen.

Die Nachricht von einer Abkühlung der US-Wirtschaft ist also eigentlich nicht neu. Zudem ist sie von der US-Zentralbank intendiert. Ziel ist es schließlich immer noch, die Inflation einzudämmen. Aus diesem Grund wurden schwächere Makrodaten lange durchaus positiv vom Markt goutiert. Denn diese würden in der Logik der Marktteilnehmer zu rascheren und womöglich nachhaltigen US-Zinssenkungen führen.

Ob und in welchem Ausmaß dies aber tatsächlich eintreffen wird, ist und war immer unklar. Die Marktreaktion am Freitag zeigte sehr deutlich, dass der Raum für Enttäuschungen hierbei enorm ist. Die schwächeren Arbeitsmarktdaten sorgten für Skepsis, ob das angepeilte „Soft Landing“ der US-Wirtschaft überhaupt noch möglich sei. 

Damit sind schlechte Nachrichten dann auf einmal tatsächlich schlechte Nachrichten und so haben die Aktien einiger konjunktursensitiver Unternehmen stark abgewertet. Denn ein Konsument, dessen verfügbares Einkommen sinkt, wird vorsichtiger mit seinen Ausgaben umgehen. Das sorgt für niedrigere Erlöse bei Unternehmen, für die es schwieriger wird, ihre Güter und/oder Preise in Zeiten von "Stress" abzusetzen beziehungsweise durchzusetzen. Punktprognosen haben eben ein enormes Risiko für die Gestaltung einer Aktienstrategie.

Wir wählen unsere Unternehmen daher von vornherein so aus, dass sie nicht nur unter bestimmten Bedingungen, wie etwa einem günstigen Makroszenario, erfolgreich und profitabel sein können, sondern auch in Krisenzeiten und bei Unwägbarkeiten nur schwer aus der Bahn geworfen werden. Dabei gelangen nicht nur Unternehmen aus den defensiven Sektoren wie etwa dem Gesundheitssektor auf unsere Kaufliste, sondern ebenso Qualitätszykliker aus dem Industriegüterbereich, die beispielsweise spezialisierte Lösungen für ihre Kunden anbieten können und damit keinen großen Preisverwerfungen unterliegen. Denn unser Portfolio ist stets breit diversifiziert. 

Trends nicht einfach in die Zukunft fortschreiben

Eine der größten Herausforderungen für Portfoliomanager ist es, trotz der starken Stimmungsschwankungen an den Finanzmärkten, den Blick auf die langfristigen Chancen und Risiken zu haben und damit kühlen Kopf zu wahren. Die Geschichte ist voll von Beispielen, als Trends eigentlich klar gesetzt und die Zukunft ausgemachte Sache schien, wie etwa während der Tech-Hausse, die im Jahr 2000 platzte.

In den vergangenen 1,5 Jahren rückten wieder Unternehmen in den Fokus (und sind es noch immer), die eine dominante Rolle bei einer Zukunftstechnologie zu spielen versprechen. Aktien aus dem Technologiesektor stellten im Zuge der Euphorie um das Thema „Künstlicher Intelligenz“ viele andere Sektoren und Unternehmen in den Schatten und dominierten die Wertentwicklung an den Märkten.

Auch wenn die Situation im Vergleich zu 2000 heute eine andere ist und viele der jüngst von der Börse gefeierten Unternehmen hochprofitabel sind, sind die Erwartungen an die Technologieunternehmen, wie damals, enorm. Doch ist im Falle der Halbleiterindustrie aus unserer Sicht extrem schwer zu beurteilen, inwieweit sich der Wettbewerb in der mittleren bis langen Frist entwickeln wird. In einer Industrie, in der die Technologieführerschaft für den Unternehmenserfolg entscheidend ist, können sich die Wettbewerbskräfte innerhalb kurzer Zeit dramatisch ändern.

Um ein Beispiel zu nennen: Apple hat vor einigen Jahren beschlossen, die Entwicklung von Computerchips, die sich in den Produkten des Unternehmens befinden, nicht mehr Intel zu überlassen, sondern eigenständig zu entwickeln. Die Konsequenz war, dass Intel damit ein großer Kunde weggebrochen ist, und zudem in der Chip-Entwicklung ein unerwarteter direkter Wettbewerber entstand.

Auch für Aktien von Unternehmen, die am Markt nicht mehr stark gefragt waren, gilt es, einen nüchternen Blick zu behalten. Firmen mit temporären operativen Schwierigkeiten, jedoch einem gesunden Fundament, können gerade in solchen volatilen Marktphasen attraktive Opportunitäten bieten. So enttäuschte beispielsweise die Aktie von 3M in der jüngeren Vergangenheit an der Börse. Doch nach operativen Verbesserungen und einem CEO-Wechsel konnte das Unternehmen zuletzt wieder eine beeindruckende Wertentwicklung vorweisen.

Diszipliniert bleiben

„Gute Geschäftsmodelle haben eben ihren Preis“. So, oder so ähnlich ist der Tenor, wenn es darum geht, hohe Kaufpreise für Aktien attraktiver Unternehmen zu rechtfertigen. Das tückische dabei – in Phasen der Euphorie werden schlechte Nachrichten (oder die Anzeichen dafür) häufig ignoriert. Sobald die Stimmung jedoch kippt, reagieren die Aktien mit besonders großen Hoffnungen versehener Unternehmen bereits auf unwesentliche Nachrichten mit zum Teil starken Kursausschlägen.

So sorgte beispielsweise eine Meldung Anfang der zweiten Augustwoche, dass sich die neuen KI-Chips von Nvidia verspäten, für enorme Kursverluste. Letztere betrafen dann sowohl Nvidia als auch damit verbundene Unternehmen des Sektors, etwa die taiwanesische TSMC.

Das Problem: Je stärker die Bewertungen steigen, desto kleiner wird der Raum für Enttäuschungen. Deshalb ist es für uns entscheidend, dass das Chance-Risiko-Verhältnis bei jedem Investment ausgewogen ist. Und eine sehr teure Aktie impliziert eine sehr rosige Zukunft. Obwohl also letztlich niemand wissen kann, was die Zukunft bringt, gibt es keine (angemessene) Sicherheitsmarge mehr. Das bedeutet wiederum für uns, dass eine solche Aktie kein angemessenes Risiko darstellt. Auch die Positionsgröße muss immer konsequent der Bewertung angepasst werden. Aus diesem Grund hatten wir nach den hohen Kursgewinnen der vergangenen Monate einige von der Euphorie erfassten Aktien reduziert.

Wir verfolgen also eine strenge Bewertungsdisziplin. Das bedeutet auch, dass wir bei entsprechenden Opportunitäten an entscheidenden Stellen zukaufen. So schwächelten Technologieunternehmen anno 2022, als im Zuge der Rekordinflation Notenbanken die Zinsen erhöhten. Damals haben wir vereinzelt bei Tech-Aktien zugegriffen und konnten von der folgenden Hausse profitieren.

Und in Zukunft? 

Auch wenn wir keine Glaskugel haben, spricht die aktuelle Entwicklung eher für ein reinigendes Gewitter als für den Beginn eines Bärenmarktes. Die Gewinnerwartungen an die Unternehmen sind hoch und kleine Enttäuschungen, die das Sentiment drücken, führen zu heften Kurseinschlägen. Viele Aktien haben aber bereits eine starke Korrekturphase hinter sich. Insofern sollte eine Fortsetzung der Korrektur, die zu begrüßen wäre, differenziert ablaufen.

Dass sich Übertreibungen hinsichtlich der Zukunftserwartungen oder Bewertungen über die Zeit wieder der Normalität nähern, erscheint wahrscheinlich. Ebenso bieten Aktienmärkte in Stressphasen die Möglichkeit, Anteile an hervorragenden Unternehmen zu einem attraktiven Preis zu kaufen.

Das sollten dann aus unserer Sicht Unternehmen sein, die nicht nur viele Jahre profitablen Wachstums versprechen, sondern auch weit überdurchschnittlich robust und anpassungsfähig sind. Und dieser Blick, dieser Fokus auf die Unternehmensauswahl ist das entscheidende für uns. Das Timing, also der Kaufzeitpunkt, gerät auf lange Sicht oft eher zur Randnotiz.

Weshalb es also zu den Verwerfungen gekommen ist, kann in der Retrospektive interessant sein, bietet jedoch selten die entscheidenden Erkenntnisse, um zukünftige Krisen vorherzusehen. Die beste Vorsorge für uns bleibt daher ein Portfolio, das bereits im Vorfeld so aufgestellt ist, dass es, auch bei heftigen Marktturbulenzen, wie wir sie beispielsweise in dieser Woche gesehen haben, zukunftsfähig ist.

Daher liegt unser Fokus weiterhin auf Unternehmen mit hoher Resilienz, die temporäre Gewinneinbußen dank einer starken Marktposition, positiven Cash-Flows und solider Bilanzen wieder ausbügeln können. Wir freuen uns, wenn die gesunkenen Bewertungen deren Qualität zum Kaufzeitpunkt nicht (ausreichend) berücksichtigen.

So managen wir nach unserem Verständnis „aktiv“ Portfolios und müssen nicht „reaktiv“ auf sich veränderte Umstände reagieren.

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