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Börsenwissen: Keiner kann gewinnen

- Stephan Fritz

Geldanlage ist kein Spiel. Und doch lässt sie sich mit einem Spiel erklären. Einen Fehler sollten Anleger dabei aber möglichst nicht machen. 

An den Kapitalmärkten lassen sich Muster erkennen. Denkmuster. Ich bin mittlerweile seit mehr als 20 Jahren im Geschäft. Und ich habe mich in Gedanken oft folgenden Satz sagen hören: „Jetzt geht das schon wieder los!“ Besonders gebräuchlich ist dieser Satz, wenn die Nervosität an den Börsen steigt. Und das tut sie von Zeit zu Zeit. Aus welchen Gründen auch immer.

Denke ich einen Moment darüber nach, muss ich mich korrigieren. Denn es geht nicht wieder los. Richtig ist die Aussage: Es hört niemals auf!

Zwei Spielformen, wenig Gemeinsamkeiten

Der britische Autor und Berater Simon Sinek hat vor einiger Zeit ein sehr gutes, weil sehr spannendes Buch geschrieben: „Das unendliche Spiel – Strategien für dauerhaften Erfolg“. Darin beschäftigt er sich mit den Eigenheiten und Unterschieden von endlichen und unendlichen Spielen bezogen auf Wirtschaft und Gesellschaft.

Inspiriert wurde er dabei von James P. Carse, einem früheren, mittlerweile verstorbenen Professor für Geschichte und Literatur an der New York University. Bereits in den 1980er-Jahren hatte der sich mit dem Unterschied zwischen beiden Spielarten auseinandergesetzt, seine Ideen später in „Finite & Infinte Games“ zu Papier gebracht. Grundsätzlich gilt für beide Spielformen: Es braucht mindestens zwei Spieler, die miteinander konkurrieren. Das war es dann aber fast schon mit den Gemeinsamkeiten.

Schauen wir deshalb zunächst auf das endliche Spiel. Was zeichnet es aus?

  • Die Teilnehmer sind bekannt.
  • Es gibt klare und einheitliche Regeln.
  • Es wird ein übergeordnetes Ziel definiert.
  • Wird das Ziel erreicht, ist das Spiel zu Ende.
  • Es gibt, abhängig von den Regeln, Gewinner, Verlierer oder eine Rangliste.

Im Sport finden sich genügend Beispiele. Nehmen wir ein Tennismatch. Einer oder eine wird gewinnen. In zwei, drei, vier, vielleicht auch erst in fünf Sätzen. Oder die Fußball-Bundesliga. An deren Saisonende gibt es einen Gewinner, den Deutschen Meister, und mindestens zwei Verlierer, die direkten Absteiger. Gefühlt sicherlich auch die, die Meister werden wollten, es aber nicht wurden.

Beim unendlichen Spiel liegen die Dinge etwas anders:

  • Es gibt bekannte und unbekannte Teilnehmer. Jederzeit können neue dazukommen oder das Spiel verlassen.
  • Die Regeln können sich ändern – was regelmäßig passiert. Es gibt lediglich einen groben Rahmen, der sich von Region zu Region unterscheidet. Nennen wir ihn Gesetze.
  • Es gibt kein klar definiertes Ziel, also keine Ziellinie und keinen Schlusspfiff.
  • Weil es kein vereinbartes Ziel gibt, kann es auch keinen Gewinner, keine Gewinnerin geben.

Machen wir es etwas konkreter: Bei Freundschaften gibt es keinen 5. Platz. Die Weltpolitik kürt keinen Sieger. Und auch Wirtschaft ist nicht zu gewinnen. Ziel eines unendlichen Spiels kann es nur sein, im Spiel zu bleiben – so lange wie möglich. Das setzt voraus, möglichst viele gute Entscheidungen zu treffen. In Summe mehr gute als weniger gute.

Das Problem ist, nehmen wir die Wirtschaft als Beispiel: Viele Teilnehmer tun so, als könne man auch ein unendliches Spiel gewinnen. Immer wieder hört man Sätze wie: „Wir sind die besten im Vertrieb!“ Oder „Wir haben das beste Produkt! Und Weltmarktführer sind wir sowieso!“

Wer um den Unterschied der zuvor vorgestellten Spielarten weiß, der stellt sich automatisch folgende Fragen:

  • Auf welcher Grundlage, bitte?
  • Gibt es eine vereinbarte Matrix?
  • Sind alle mit dem angegebenen Zeitrahmen einverstanden?

Das Problem an den „Wir-sind-die-besten-Aussagen“ sind weniger die Aussagen selbst als vielmehr die dahinterliegende Denkweise; im Englischen würde man von „Mindset“ sprechen. Wer nämlich immer und zu jeder Zeit der Beste in einem unendlichen Spiel sein, koste es, was es wolle, gewinnen möchte, was in Wahrheit gar nicht zu gewinnen ist, der verliert leicht aus den Augen, um was es wirklich geht: Gute Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Viele richtige Entscheidungen zu treffen, im Sinne der Kunden.

Für eine Aufgabe, die niemals zu Ende ist, brauchen Sie auch eine „unendliche Denkweise“. Das trifft im Besonderen bei der Geldanlage zu.

Vierteljährliche oder jährliche Ergebnisse und Prognosen sind Teil einer endlichen Denkweise. Wie werden sich die Märkte im Jahr 2022 entwickeln? Welche Sektoren werden überdurchschnittlich abschneiden? Niemand weiß das!

Wer glaubt, er hätte gewonnen, weil sich das eigene Depot in diesem Jahr besser entwickelt als irgendein Index – vergessen Sie es besser gleich wieder. Diesen Fehler sollte niemand machen. Es geht immer weiter. Und weiter. Eine gute Entscheidung gefolgt von drei schlechten ist am Ende nur ein schwacher Trost. Ein gutes Jahr gefolgt von drei schlechten auch.

Das ist, wie ich finde, eine der wichtigsten Erkenntnisse bei der Geldanlage. Denken Sie langfristig. Denken Sie unendlich. Auch wenn es zunächst abstrakt klingt – es ist unglaublich wichtig für das Verständnis.

Die Spielregeln ändern sich

Unser Anspruch bei Flossbach von Storch ist es, einen Beitrag zur finanziellen Unabhängigkeit unserer Kunden und Anleger zu liefern. Das ist kein Sprint, das ist ein Marathon. Um dem Anspruch gerecht zu werden, braucht es Unabhängigkeit. Unabhängigkeit, sich nicht an Referenzindizes orientieren oder in Kalenderjahren denken zu müssen. Das wäre, würde Simon Sinek sagen, das „falsche Mindset“.

Umso so wichtiger ist es, unvoreingenommen auf die Welt zu schauen, ein eigenes Bild von ihr zu haben, ein eigenes Weltbild. Welche Faktoren bewegen langfristig die Kapitalmärkte – und warum? Das Weltbild, die sich daraus ergebenden Thesen, gilt es immer und immer wieder zu überprüfen. Sie erinnern sich, die Spielregeln eines unendlichen Spiels können sich ändern – und das tun sie auch.

Weil es in einem unendlichen Spiel keine Sieger geben kann, gibt es eben auch nicht den einen besten Investor. Oder die beste Anlagestrategie. Es gibt nur Anlagestrategien, die besonders gut zu bestimmten Anleger-Typen passen - und umgekehrt.

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