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„Bei Nvidia ist die Gefahr vielleicht am größten”

Handelsblatt Interview mit Bert Flossbach

Fondsmanager Bert Flossbach hat sich in der Finanzkrise einen guten Ruf erarbeitet. Damals navigierte er sein jetzt 37 Milliarden Euro schweres Flaggschiffprodukt mit geringen Einbußen durch den damaligen Börsencrash.

Im Handelsblatt-Interview spricht der 62-Jährige über seine aktuelle Strategie: Er erklärt, wieso er Nvidia nicht in seinem Depot hat, warum er auf Konsumtitel setzt, welche Finanzwerte er attraktiv findet, wie er mit Anleihen umgeht und welche drei Empfehlungen er Anlegern jetzt geben würde.

Herr Flossbach, der Dax hat am Montag erneut ein Rekordhoch markiert. Erreichen wir noch die nächste runde Marke von 18.000 Punkten?

Ja, die Frage ist nur wann. Eigentlich haben sich die Aktienkurse der großen in Deutschland gelisteten Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten ja kaum verändert, was man am sogenannten Kurs-Dax ablesen kann. Der bezieht Dividendenzahlungen nicht mit ein, ähnlich wie andere populäre Indizes, wie beispielsweise der S&P 500 an der Wall Street. Deshalb eignet sich der Kurs-Dax besser als der Dax zum Vergleich mit anderen Länderindizes.

US-Aktien konnten sich in diesem Jahrtausend mehr als verdreifachen, trotz zweier großer Börsenkrisen, plus Corona-Crash, plus Ukrainekrieg. Die deutschen sind in diesem Vergleich nur etwa um ein Viertel gestiegen – ein krasser Unterschied …

Das meine ich. Und nach dem Platzen der Internet-Aktienblase Anfang 2000 hat der Dax gut 70 Prozent verloren. Der Crash war größer als an fast allen anderen Märkten. Die Lektion für einen deutschen Anleger war immer: Du musst global investieren. Der Dax taugt dafür überhaupt nicht, was neben der regionalen Beschränkung natürlich auch an den gelisteten Unternehmen liegt.

Ist die Botschaft angekommen?

Ja. Der typische Deutsche kennt aus dem Dax vielleicht noch SAP und die Autowerte. Spätestens bei Brenntag hört es auf. Amazon und Apple kennt dagegen praktisch jeder.

Nun sind die bekannteren Aktien aber auch teurer ...

Da begegnen sich Welten. Die Dax-Aktien kommen im Schnitt auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12, beim S&P 500 sind es 20. Sind die amerikanischen Aktien deshalb zu teuer? Die großen Tech-Werte pushen den Index, auch die Bewertungen. Aber sie sind gleichzeitig hochprofitabel. Bei den Unternehmensgewinnen punkten auch Gesellschaften wie PepsiCo und Visa, die wir in unseren Fonds haben. Die Anleger schauen vor allem auf die Gewinne, ob die nach oben gehen, weniger auf die Bewertungen.

Die unterschiedlichen Kursentwicklungen machen unsere eigene Börse beim Marktwert zum David, die Wall Street zum Goliath. Sind wir hoffnungslos abgehängt?

Die „schwerste“ US-Aktie Microsoft hat einen Börsenwert von drei Billionen Dollar. Das ist fast doppelt so viel wie alle 40 Dax-Werte zusammen. Wegen der moderaten Bewertungen wage ich zumindest diese Prognose: Die europäischen Aktien insgesamt werden die kommenden fünf Jahre höhere Anlagegewinne bringen als die deutschen Staatsanleihen. Schon ein Blick auf die Dividendenrendite reicht: Die liegt bei 3,4 Prozent für den MSCI Europe Index, während eine zehnjährige deutsche Bundesanleihe nur mit 2,3 Prozent rentiert. Das ist natürlich kein Anlagetipp, die Mehrzahl der spannenden Unternehmen befindet sich aus unserer Sicht außerhalb Europas.

Sind Sie mit dem eigenen Anlageerfolg zufrieden? Ihr Flaggschifffonds „FvS Multiple Opportunities“ erzielte im vergangenen Jahr 9,5 Prozent Rendite …

Das war okay, kam aber nach einem von einer Vielzahl von Krisen geprägten Verlustjahr mit einem Minus von 12,4 Prozent.

Es fällt auf, dass im Aktienanteil des Fonds Konsumwerte fast 40 Prozent ausmachen. Ist das auch ein Risikopuffer, nach dem Motto: Geld zum Leben müssen die Menschen immer ausgeben? 

In gewisser Weise. Wir haben beispielsweise schon lange Reckitt Benckiser, eine britische Firma, die Reinigungsmittel herstellt und Haushaltswaren, im Portfolio. Das Geschäft ist tatsächlich relativ konjunkturresistent und hat gute Margen. Das gilt ähnlich für die schweizerische Nestlé. Wir halten auch Starbucks und Procter & Gamble. In die Schublade Konsumwerte gehören außerdem Hersteller langlebiger Produkte wie Autos, etwa Mercedes-Benz. Das Beispiel zeigt: Anleger sollten sich nicht von den Kategorien täuschen lassen, da können sehr unterschiedliche Firmen gelistet sein.

Sie haben den Anleiheanteil zuletzt auf elf Prozent gesenkt. Im November war die Quote noch bei 17 Prozent. Steckt die Angst vor höheren Zinsen dahinter?

Wir haben tatsächlich Gewinne mitgenommen, außerdem sind einige Positionen fällig geworden. Im Bestand sind jetzt kurzlaufende deutsche Bundesanleihen und US-Staatspapiere als verzinster Kasseersatz, Dollar-Unternehmenstitel und VW-Hybridanleihen, die jeweils gut sechs Prozent Rendite pro Jahr bieten.

Warum der Sinneswandel?

Die Zeit der großen Kursgewinne mit Anleihen ist erst mal vorbei. Die Inflation ist gesunken, auch wenn es noch einige Zeit dauern kann, bis sich die Teuerung dem Ziel der Notenbanken von zwei Prozent spürbar nähert. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe erwarten wir in diesem Jahr bei höchstens 3,0 Prozent. Das ist nicht mehr attraktiv. Anders sieht es in den USA aus, wo wir für kurzlaufende Staatstitel je nach Laufzeit 4,25 bis 5,0 Prozent bekommen, was über der Geldentwertung liegt. Hier können Währungsschwankungen aber ein Risiko sein.

Etwas mehr als ein Fünftel der Aktieninvestments im Fonds stecken in Finanzwerten. Banken profitieren von höheren Zinsen. Aber dieser Trend scheint erst einmal gestoppt. Warum also die hohe Quote?

Hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Tatsächlich besitzen wir nur zwei Bankaktien, die in Summe drei Prozent des Fondswertes ausmachen. Die Geschäftsmodelle klassischer Großbanken sind sehr komplex, deswegen halten wir uns da fern. Wir investieren gerne in Unternehmen mit soliden Bilanzen und berechenbaren Gewinnaussichten und Geschäftsmodellen – wenn der Preis stimmt.

Was verbirgt sich dann hinter den Finanzwerten?

Beispielsweise unsere größte Position Berkshire Hathaway, die Beteiligungsgesellschaft von Warren Buffett, die als Finanzdienstleister klassifiziert wird. Dazu kommen Visa, Deutsche Börse, die US-Börse ICE und der amerikanische Finanzdienstleister Charles Schwab.

Einige Branchen meiden Sie komplett, etwa den Immobiliensektor, der mit Krisenmeldungen Schlagzeilen macht …

Aktuell sehen wir tatsächlich keinen Grund, da zu investieren. Bauen wird immer teurer, und die Zinsen sind gestiegen.

Das Gleiche gilt für den Energiesektor ...

Die Geschäfte der Ölkonzerne sind kaum berechenbar. Der Ölpreis ist schwer kalkulierbar, und der Trend geht generell weg von den fossilen Energieträgern.

Sie verzichten aber auch auf Unternehmen für erneuerbare Energien aus Wind und Sonne …

Vor drei Jahren gab es große Kursfantasie für diese Unternehmen – dann kam der Crash, und die Aktien haben sich davon bis heute nicht erholt. Die staatliche Regulierung auf dem Feld ist außerdem wenig kalkulierbar, ebenso die Konkurrenz aus China. Solarmodul-Hersteller wie der Schweizer Konzern Meyer Burger möchten deshalb ihre Produktion in Deutschland aufgeben. Und dann ist es unglaublich schwer zu sagen, was ist grün und was ist nicht grün. Kurz und schlecht: Bei erneuerbaren Energien bewegt sich der Investor auf spiegelglattem Eis.

Gilt das auch für Aktien der großen US-Tech-Konzerne nach ihren enormen Kursgewinnen? Da sind Sie ja sicher investiert?

Wir haben von den sogenannten „Glorreichen Sieben“ lediglich Alphabet, Amazon, Microsoft und Apple im Portfolio. Die machen zusammen etwas mehr als ein Zehntel des Aktienbestandes aus.

Das ist auf jeden Fall weit unter den 27 Prozent, die die erwähnten sieben Aktien, dazu kommen noch Meta, Nvidia und Tesla, im US-Index S&P 500 ausmachen. Ist das schon ein negatives Urteil über die künftigen Kurschancen?

Zunächst einmal: Wir sind da engagiert, weil es einen wichtigen Unterschied zu Energiefirmen und Banken gibt. Die Geschäftsmodelle sind berechenbar. Indexgewichtungen interessieren mich zwar nicht. Aber wir sind tatsächlich etwas vorsichtig, weil die Bewertungen dieser Aktien inzwischen recht hoch sind.

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„Welt in Unordnung“

Als langfristig denkende Investoren sind wir vorsichtig mit Superlativen. Und doch würden wir dem Jahrgang 2024 das Attribut „außergewöhnlich“ geben. Außergewöhnlich in vielerlei Hinsicht.
Im Fokus standen vor allem die USA. Die Wahl des neuen, alten Präsidenten. Oder der unerschütterliche Boom bei den großen Tech-Aktien. Nie war deren Gewicht in den internationalen Aktienindizes so groß wie in diesen Tagen. Geht die Rally weiter?
Die Erwartungen sind sehr hoch – möglicherweise zu hoch.
Insofern ist die Prognose, dass auch 2025 ein „außergewöhnlicher“ Jahrgang werden könnte, nicht allzu gewagt.

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