Anleihen feiern derzeit ein Comeback. Doch die Rückkehr zu alten Anlagemustern wäre ein großer Fehler - sucht man einfache Lösungen, könnte ein böses Erwachen drohen.
Manchmal könnte man glauben, dass wir Deutschen Probleme geradezu lieben würden. Anders dürfte es wohl kaum zu erklären sein, dass wir ständig und überall über sie sprechen. Das gilt für viele Bereiche des Lebens, und im besonderen Maße für die Kommentare zu den Zinsmärkten.
Und tatsächlich lauerten dort wahrlich genügend Probleme: Zunächst gab es seit 2015 für mehrere Jahre im Euroraum quasi keinen Zins mehr. Obwohl eine solche Situation für kundige Marktbeobachter langfristig kaum Bestand haben konnte, fielen irgendwann selbst die Zinsen für die beliebten Bankeinlagen in den negativen Bereich.
Man begann, sich mit dieser Lage mehr oder weniger „anzufreunden“. Das Narrativ spitzte sich während der Pandemie sogar zu bis zur Annahme: „Es wird nie wieder einen signifikanten Zins geben“, als es zu einer abrupten Wende kam: Die Inflation schlich sich zunächst still und heimlich, dann aber mit voller Wucht in den Wirtschaftskreislauf. Mit der Folge, dass auch der Zins in einem zuvor nicht mehr erwarteten Umfang zurückkam.
Und genau das – also die komplette Trendwende eines zuvor (für Sparer) problematischen Zustandes – wird nun schon wieder zu einem Problem: Kredite sind heute teurer, was aktuell bei vielen den Traum vom Eigenheim platzen lässt. In einzelnen Wirtschaftsbereichen fängt es sogar an, zumindest schwierig zu werden. Und bei der einen oder anderen Bank „knarzt es schon mächtig im Gebälk“, wie wir es zuletzt im Frühjahr dieses Jahres zunächst in den USA und später am Paradeplatz in Zürich (dem Finanzplatz in der Schweiz) erleben mussten.
Auch die eine oder andere Aktienbewertung, etwa bei hoch finanzierten Wachstumsunternehmen, hat zwischenzeitlich unter den wieder vorhandenen Zinsen gelitten. Probleme über Probleme also – und wir könnten hier natürlich noch weiter in solchen schwelgen. Doch Pragmatiker, zu denen wir uns zählen, ergehen sich nicht nur in ausführlichen Problembeschreibungen; sie suchen vor allem Lösungen. Wobei bei Lösungen, die allzu einfach erscheinen und sich auch noch besonders schnell umsetzen lassen, aus unserer Sicht Skepsis angebracht ist.
In der Zeit des ersten Zinsproblems, als es also keine oder sogar negative Renditen gab, wäre die einfachste Lösung wohl gewesen, gar keine Anleihen mehr zu kaufen. Alles auf Aktien also! Aber Hand aufs Herz: Wie viele private Anlegerinnen und Anleger haben das in voller Konsequenz gemacht?
Irgendwie gehörten Anleihen weiterhin dazu, am liebsten sogar weiter mit dem geliebten Kupon und dem gewohnten Buy-and-hold-Ansatz. Gerade in außergewöhnlichen Zeiten muss aber die Macht der Gewohnheit nicht immer zur besten Lösung führen. Für viele traditionelle „Kuponschneider“, die ihren Anleihen (komme, was da wolle) bis zum Laufzeitende die Treue halten mochten, bestand damals die scheinbar einfachste Lösung darin, entweder immer mehr Abstriche bei der Qualität des Schuldners zu machen oder immer längere Laufzeiten zu wählen.
Das führte zu einigen Extremen. Quasi unmittelbar vor der Zinswende, auf den absoluten Tiefstständen der globalen Zinsniveaus, waren ultralange Laufzeiten gefragt. Österreich legte in dieser Zeit eine 100-jährige Anleihe auf. Was den Finanzminister, der dadurch zu günstigen Konditionen 4,6 Milliarden Euro für die Alpenrepublik einnehmen konnte, in der Rückschau vielleicht freuen mag, machte so manchen Anleger deutlich ärmer (siehe Grafik).
Der Blick auf die Kursentwicklung zeigt auch: Das Risiko überstieg schon bei Auflage die möglichen Chancen (wenn man bei einem Kupon von 0,85 Prozent davon überhaupt sprechen konnte) um das Zigfache. Und die Strategie „Verluste aussitzen“ dürfte bei der Fälligkeit am 30. Juni 2120 – zumindest mit Blick auf die durchschnittliche Lebenserwartung – wohl kaum eine Alternative sein.
Zugegeben: Die 100-jährige österreichische Bundesanleihe ist ein drastisches Beispiel. Es zeigt aber, wie schnell vermeintlich einfache Lösungen selbst wieder zu einem Problem werden können. Oder, um es mit den Worten des spanischen Wirtschaftsphilosophen Ignacio Ellacuria auszudrücken: „Es ist besser, Probleme zu haben als eine schlechte Lösung.“
Vielleicht ist es manchmal sinnvoll, Probleme als das zu akzeptieren, was sie sind. Und die Lösung darin zu suchen, die Auswirkungen der Probleme „einfach“ nur, sagen wir mal: besser zu machen. Seit vielen Jahren werden wir nicht müde zu erklären, dass sich Anleger im Anleihenmarkt von Buy-and-hold konsequent verabschieden sollten.
Die als Fixed Income bezeichnete Anlageklasse haben wir in Active Income umgetauft. Denn nur mit einer globalen, flexiblen und höchstaktiven Anlagestrategie, bei der man alle verfügbaren Ertragsbausteine einsetzt, konnte man auch in der zinslosen Zeit die nach wie vor vorhandenen Vorzüge von Anleiheinvestments nutzen. Als es noch darum ging, alles Mögliche aus einem Markt herauszuholen, der vermeintlich nichts mehr zu bieten hatte. Ohne „Harakiri“, sondern stets kaufmännisch denkend, bei einer sauberen Abwägung von Chancen und Risiken.
So interessant und lehrreich der Blick zurück auch sein mag: Anlageentscheidungen sind immer mit Blick auf die Zukunft zu treffen. Und der Blick nach vorn zeigt: Der massive Zinsanstieg im vergangenen Jahr hat bei allem Schmerz auch etwas Positives gebracht. „Strafzinsen“ auf Bankeinlagen sind passé, erste Institute gewähren wieder mehr oder weniger auskömmliche Zinsen auf Tages- und Festgeld.
Mit ihren Renditeniveaus erscheinen Anleihen vielen wieder als sinnvolle Anlagealternative für gut gemischte Portfolien. Zumal durch die Rückkehr zu einem höheren Zinsniveau der Diversifikationseffekt von Anleihen wieder wirken kann.
Doch so manche Anlegerin und so manchen Anleger mag die Aussicht locken, dass mit ausgewählten Anleihen (und je nach der eigenen Inflationserwartung) auch mit dem Buy-and-hold-Ansatz auch real gesehen wieder eine leicht positive Rendite möglich wäre. Hier mahnen wir jedoch zur Vorsicht.
Allzu einfache Lösungen könnten, wie bereits geschildert, in der Praxis nur Scheinlösungen sein. Wirklich auskömmliche Renditen, welche bei diesem Ansatz das Potenzial haben, die zu erwartende Inflation auf Dauer zu schlagen, gibt es aktuell nur gegen entsprechend hohe Kreditrisiken und nicht auf Dauer.
Die Zinsstrukturkurven sind aktuell nämlich deutlich invers. Sprich: Je länger die Laufzeit (und damit die Möglichkeit, sich das Zinsniveau auf Dauer zu sichern), desto geringer ist die erzielbare Rendite trotz der gleichzeitig höheren Durations- und damit Kursrisiken. Und ob alle Anlegerinnen und Anleger die daraus resultierenden Kursschwankungen am Ende aushalten? Gerade vor dem Hintergrund der aktuell weiterhin vorhandenen erheblichen politischen und makroökonomischen Risiken sowie der nach wie vor datenabhängig agierenden Zentralbanken sind hier wohl Zweifel angebracht.
Konkrete Marktentwicklungen (bestenfalls mit konkreten Kursangaben zu bestimmten Stichtagen) zu prognostizieren, war schon immer (und bleibt weiterhin) schwierig. Deshalb halten wir von Flossbach von Storch uns damit zurück. Vor dem Hintergrund des aktuellen Umfelds allerdings hohe Marktschwankungen zu erwarten oder darauf vorbereitet zu sein, erscheint uns jedoch keine allzu tollkühne Vorhersage zu sein.
In der Kapitalanlage sollte es immer darum gehen, jederzeit im Spiel zu bleiben. Also möglichst auf alles oder jedes Szenario vorbereitet zu sein. Auch wenn aktuell vieles darauf hindeutet, dass die Notenbanken die Inflation so langsam wieder in den Griff bekommen und auf das (zumindest vorübergehende) Ende des aktuellen Erhöhungszyklus zusteuern, so könnte uns die Inflation doch noch einmal ein „Schnippchen“ schlagen.
Hierbei sei beispielweise nur auf die noch hartnäckige Kerninflation sowie die viel zitierten Basiseffekte verwiesen, die nicht nur – wie noch im ersten Halbjahr – nach unten wirken. Die Zentralbanken könnten dann gegebenenfalls gezwungen sein, beim Leitzins weiter nachzulegen, was die Renditeniveaus noch ein paar Stockwerke nach oben schieben könnte.
Mit einer Buy-and-hold-Strategie wäre man dem negativen Marktumfeld dann ausgeliefert; einerseits über entsprechende Kursverluste auf die erworbenen Papiere und andererseits wohl auch durch sich dann manifestierende negative Realrenditen.
Wenn man sich die aktuellen Wirtschaftsdaten ansieht, zeigen sich zwar immer mehr Bremsspuren. Trotzdem wirkt die Wirtschaft aber insgesamt noch relativ robust und das oft zitierte (vielleicht auch nur ersehnte) Soft Landing könnte tatsächlich zum ersten Mal in einer solchen Krisenlage gelingen. Zumindest mit Blick auf die aktuell niedrigen Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen dürfte dieses Szenario jedenfalls der Marktkonsens sein.
Doch was wäre, sollte es anders kommen? Viel Platz für Fehleinschätzungen beim Ausblick der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung lassen die aktuellen Bewertungen jedenfalls nicht. Uns erscheint das offenbar ungebrochene Vertrauen in die Zentralbanken, dass sie im Zweifel wie in den vergangenen Jahren jedes Risiko aus dem Markt nehmen werden, allzu optimistisch.
Hier könnte ein böses Erwachen drohen, wenn man einfache Lösungen sucht und bei den, aus unserer Sicht, aktuell bestenfalls mäßigen Chance-Risiko-Verhältnissen bei einem Großteil der Unternehmensanleihen (vor allem im High-Yield-Bereich von weniger solventen Emittenten) zu stark zugreift.
Dass wir uns nicht falsch verstehen: Anleihen haben selbst im Niedrig- und Negativzinsumfeld für viele Kundinnen und Kunden in gut gemischten Portfolios stets dazugehört. Jetzt haben sie deutlich an Attraktivität gewonnen. Neben der laufenden Verzinsung, welche wieder eine solide Basis und damit einen Puffer für etwaige Zinsanstiege oder Veränderungen des Risikoaufschlags darstellt, bieten die Anleihemärkte aktuell auch darüber hinaus wieder deutlich bessere Möglichkeiten, um als aktiver Manager Mehrwert zu erzielen.
Allein der Fakt, dass wir uns in – nennen wir es einmal – „undurchsichtigen“ Marktphasen mit wenig überzeugenden Chancen für die gegebenen Risiken eher in Richtung Seitenlinie stellen und dabei von wieder vorhandenen auskömmlichen Zinsen auf unsere Kassebestände sowie ordentlichen Renditen bei kurz laufenden, sicheren Bundesanleihen profitieren können, erscheint uns als ein großes Plus auf der Habenseite.
Zudem ist der so wichtige Diversifikationseffekt von Anleihen in gemischten Portfolios zurück. Aber unseres Erachtens nur dann, wenn man diesen auch konsequent im Auge behält und die richtige Mischung etwa bei der Durationspositionierung und der Steuerung der Kreditrisiken findet. Also konsequent den Ansatz des kaufmännisch geprägten Active Income weiterverfolgt, um die verbliebenen Probleme bei der Kapitalanlage besser zu machen und die sich bietenden Chancen zu nutzen.
Verschiedene Fachbegriffe aus der Welt der Finanzen finden Sie in unserem Glossar erklärt.
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