In den USA sollen die Zinsen steigen. Portfoliomanager Tobias Schafföner erklärt, was das für Vermögen bedeutet, das in mehrere Anlageklassen fließt.
Herr Schafföner, während die Europäische Zentralbank noch abwartet, will die US-Notenbank die Zinsen erhöhen. Was bedeutet das für die Märkte?
Spätestens, als in den USA die Inflation auf sieben Prozent gestiegen ist, dürfte klar geworden sein, dass sich die Federal Reserve (Fed) zum Handeln gezwungen sieht. Notenbank-Chef Jerome Powell beschleunigte zunächst die Zurückführung der Anleihekäufe und möchte im März den ersten Zinsschritt machen. Im Sommer dürften wir dann außerdem bereits erfahren, wie schnell die Notenbank ihre Bilanz verkürzen will. Bis dahin wird jedes auslaufende Papier durch neue Käufe ersetzt – den Märkten wird also noch keine Liquidität entzogen.
Haben die Anleihenmärkte diese Maßnahmen eingepreist?
Schon vor der letzten Fed-Sitzung Ende Januar hatte der Markt für die USA drei Zinsschritte für 2022 eingepreist. Inzwischen geht der Markt davon aus, dass es mindestens vier Zinserhöhungen werden – was sich auch an der weiteren Aufwärtsbewegung bei den Renditen von US-Staatsanleihen mit kürzeren Laufzeiten ablesen lässt.
Dennoch bewegen sich die Zinsschritte doch wohl eher in einem „homöopathisch“ niedrigen Bereich, während die US-Inflation im Dezember immerhin sieben Prozent erreicht hat.
Tatsächlich kann man die Maßnahmen kaum als geldpolitischen „Hammer“ bezeichnen. Auf Sicht könnte sich die Inflation nach dem hohen Anstieg im vergangenen Jahr aber wieder etwas abschwächen. Vielfach fällt im Jahr 2022 der Basiseffekt weg, der die Inflationsraten im vergangenen Jahr stark nach oben getrieben hat. Während der Pandemie waren viele Preise stark gefallen und haben die Statistik etwas verzerrt, etwa mit Blick auf die Energiepreise. Auf der anderen Seite gibt es aber strukturelle Inflationstreiber, die dauerhaft wirken.
Fallen die Zinserhöhungen womöglich gar nicht so üppig aus?
Wir sollten die US-Notenbank nicht unterschätzen. Sie gibt gerade ordentlich Gas. Allerdings darf man nicht aus den Augen verlieren, dass selbst ein bis zwei Prozent Zins bei aktuell sieben Prozent Inflation extrem niedrig sind. Relativ zur Inflation fallen die Zinserhöhungen also definitiv nicht üppig aus.
Was ändert das für Anleger?
Leider nichts. Sparer und Sparerinnen stehen weiter vor der Herausforderung, dass der Kaufkraftverlust durch die Inflation nicht durch Zinserträge vermeintlich sicherer Anleihen ausgeglichen werden kann. Auf Sparkonten verliert das Geld an Wert. Deshalb bleiben Aktien auch deutlich attraktiver als Anleihen.
Sie verantworten mehrere Multi-Asset-Fonds. Welche Rolle können Anleihen in gemischten Portfolien noch spielen?
Die Herausforderungen sind angesichts der Inflations- und Renditeentwicklung im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Wir setzen aber natürlich vor allem in den defensiven Portfolios weiterhin auf Anleihen. Aber sie sind kein Selbstzweck. Sie sollen dem Portfolio Diversifikation und damit mehr Stabilität bringen.
Gibt es auf dem Zinsmarkt denn noch Chancen?
Im vergangenen Dezember haben wir sogar im sehr langlaufenden Bereich, also beispielsweise bei 30-jährigen Bundesanleihen, negative Renditen gesehen. Natürlich kann man solche Chancen auch nutzen und sich für steigende Renditen positionieren. Und im Einzelfall gibt es in jeder Marktsituation Chancen, etwa wenn Investoren überreagieren und mögliche Risiken wieder angemessen bepreist werden. Letztlich geht es aber immer darum, dass die Chancen mögliche Risiken übersteigen. Und bei Anleihen glauben wir, dass es derzeit auf der Suche nach Rendite gefährlich wäre, zu stark ins Risiko zu gehen. Das bezieht sich auf die Zinssensitivität wie auch die Bonität vieler Emittenten.
Was ist mit US-Staatsanleihen?
Das absolute Renditeniveau ist natürlich höher als bei uns in der Eurozone. Zehnjährige US-Treasuries notieren aktuell bei 1,85 Prozent. Dafür hat man aber zusätzlich ein Fremdwährungsrisiko im Portfolio. Möchte man die Dollarentwicklung absichern, reduziert sich wiederum die Rendite in Richtung der Nulllinie. Auch angesichts des Dollarniveaus sind US-Staatsanleihen aktuell bei uns nicht so hoch im Kurs.
Und was bedeutet der Zinsanstieg für den Aktienmarkt?
Wenn der risikolose Zins steigt, sinken tendenziell die Bewertungen. Aber reichen die geplanten Zinsschritte wirklich, um den Aktienmarkt zu verunsichern? Im Technologiebereich, wo es vor allem bei Titeln aus der zweiten Reihe zuletzt zu hohen Kursverlusten kam, hat vor allem das Sentiment gelitten. Zwar hat der Zins hier als Diskontfaktor zukünftiger Erträge eine gewisse Bedeutung – viel wichtiger dürfte aber sein, dass Anleger die Risikoprämien für diese Aktien anders bewertet haben. In der Breite muss man deshalb vorsichtig sein, die Unsicherheit am Aktienmarkt allein dem Zinsanstieg anzulasten.
Wenn nun die Turbulenzen am Markt weiter steigen, würden Sie absichern?
Das machen wir grundsätzlich nur sehr selten. Dafür müssten, wie beim Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa vor zwei Jahren, ein struktureller Bruch und in der Folge gesamtwirtschaftliche Verwerfungen drohen. Aktuell sehen wir beides nicht. Die Notenbanker möchten keine Rezession erzeugen, sondern in vorsichtigen Schritten der hohen Inflation Rechnung tragen. Zwischenzeitliche Rücksetzer an den Aktienmärkten sehen wir deshalb eher als Chancen, um günstiger in attraktive Titel einzusteigen. Mit einer guten Risikostreuung über Anlageklassen, Währungsräume, Branchen und Einzeltitel streben wir generell ein diversifiziertes Portfolio an, das nicht von exaktem Timing abhängig ist.
Wenn sich Anleihen aber weniger zur Diversifikation eignen als früher – was bleibt dann noch?
Einerseits die Diversifikation innerhalb der Aktienallokation. Aber auch Gold. Es kann Risiken ausgleichen, wenn wir uns von den geldpolitischen Treibern lösen und über unwahrscheinlichere Szenarien nachdenken. Wenn schwarze Schwäne kommen. Oder eine Finanzkrise, wenn die Menschen das Vertrauen verlieren. In einem robusten Portfolio sollten ohnehin nie alle Anlagen nur auf ein Szenario ausgerichtet sein, schon gar nicht auf ein Schönwetter-Szenario.
Herr Schafföner, vielen Dank für das Gespräch.
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