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Gesellschaft
5 Minuten

Was Chinas Immobilienkäufer bewegt

- Shenwei Li

Nach der Pleite des größten Immobilienentwicklers Evergrande bleibt es in China ruhig. Doch welches Bild zeichnet sich in den sozialen Medien ab?

Obwohl sich das Drama lange abzeichnete, war es ein Paukenschlag, als Ende Januar der chinesische Immobilienentwickler Evergrande in die Insolvenz rutschte. Der Konzern steht mit 300 Milliarden US-Dollar bei Schuldnern in der Kreide – davon 280 Milliarden in China.

Erst im Oktober 2023 war bekannt geworden, dass auch der Entwickler Country Garden überfällige Schulden hat. Unterm Strich dürften von den Insolvenzen viele tausend Wohnungskäufer betroffen sein. Dennoch hört man kaum etwas von ihnen.

Das war 2022, als mehrere kleine Entwickler Insolvenz anmelden mussten, anders. Damals zitterten viele Menschen, die lange auf eine Wohnung gespart hatten, um ihre Anzahlung. Bilder von Betroffenen, die in unfertige Wohnungen eingezogen waren, gingen um die Welt.

Denn bei Neubauten funktioniert ein Wohnungskauf in China anders als in Deutschland. Bei uns ist das „Presale“- Modell üblich: Dabei sind etwa 30 Prozent der Kaufsumme bei Vertragsabschluss und damit vor der Wohnungsübergabe an den Entwickler zu überweisen. Auch der Wohnungskredit läuft ab diesem Zeitpunkt. Danach dauert es in der Regel zwei Jahre, bis die Wohnung bezugsfertig ist. Wohnungskäufer müssen in dieser Zeit die Miete für die alte Wohnung plus die Kreditrate stemmen.

Wie also geht es Käuferinnen und Käufern, die von den jüngsten Pleiten im Immobiliensektor betroffen sind? Dazu gibt es auch in China nur wenige Schlagzeilen. Daher haben wir Beiträge in den chinesischen sozialen Medien ausgewertet. Hier zu recherchieren, mag kein systematischer, wissenschaftlich fundierter Ansatz sein. Dafür zeichnet sich aber aus unserer Sicht ein relativ glaubwürdiges Bild ab. Hier das Ergebnis einer entsprechenden Suche mit Begriffen wie „Evergrande“, „Country Garden“ und „Fertigstellung“:

Es wird weitergebaut

  • Die meisten Käufer berichten, dass die jeweilige Lokalregierung eingegriffen hat und sich die Projekte fertig bauen lassen. Einige Wohnungen sind bezugsfähig. Bei Bauvorhaben, die noch nicht fertig sind, berichten viele, dass sie vom Entwickler zumindest einen Termin erhalten haben. Und das scheint nicht nur für Wohneinheiten der international bekannten Evergrande und Country Garden zu gelten, sondern auch bei weniger bekannten Namen.

Baustopp bei Gewerbeimmobilien

  • Ausnahmen sind gemischte Projekte, bei denen also Wohneinheiten mit Gewerbeimmobilien oder Hotel-Resorts kombiniert gebaut werden. Hier kümmert sich die Lokalregierung meist um die Wohneinheiten, nicht jedoch um die gewerblich genutzten Objekte. Diese Bereiche dürften wohl oft Bauruinen bleiben, was den Wert der Wohneinheiten womöglich schmälert.

Abstriche fast immer nötig

  • „Fertig gebaut“ beinhaltet zudem kein 100-Prozent-Leistungsversprechen. So müssen eigentlich alle Neubauten in China seit 2017 vor der Übergabe auch beim Innenausbau fertiggestellt sein. Der Boden muss also gelegt, Strom- und Wasserleitungen einsatzfähig sein. Angesichts der Finanzmittelknappheit müssen viele Käuferinnen und Käufer hier Abstriche machen und selbst für die Fertigstellung sorgen. Auch die zuvor versprochenen Ausstattungen in den öffentlichen Bereichen wie Pflanzen oder ein Spielplatz fehlen häufig. Manche Käufer haben dafür immerhin einen freien Parkplatz als Entschädigung bekommen.

Weniger Etagen als geplant

  • Zudem wird immer wieder über Fälle berichtet, bei denen ein unfertiges Wohngebäude ursprünglich zum Beispiel 30 Etagen haben sollte. Nun werden aber nur 20 Etagen gebaut. Käufern von Wohneinheiten auf der 21. bis 30. Etage wird dann oft eine Einheit in einem alternativen Wohnprojekt als Entschädigung angeboten oder sie bekommen das gezahlte Geld (Anzahlung und bereits getilgten Hypotheken) zurück und können den Kaufvertrag stornieren. Manche Käufer, deren Wohnprojekte garantiert fertig gebaut werden sollten, haben wohl ebenfalls auf einer Stornierung des Kaufvertrags bestanden und einen Anwalt eingeschaltet. Die lokalen Gerichte urteilten aber in solchen Fällen nicht im Sinn der Käufer, auch weil solche Ausnahmen bei Projekten, die gerettet werden können, der sozialen Stabilität nicht besonders zuträglich sind.

Hypothekenpause meist möglich

  • Ein großes Problem ist für viele Betroffenen, dass die Bearbeitung von problematischen Projekten oft besonders lange dauert. Denn neben den offensichtlich finanziellen Gründen sind meist viele Parteien involviert und die jeweiligen Verantwortungen nicht klar definiert. Geschäftsbanken sind meist willig, Betroffenen eine Frist zu gewähren, in der Hypotheken nicht getilgt werden müssen. Hier sind aber manche Käufer skeptisch, weil sie bei einer Aussetzungsperiode Nachteile befürchten und nehmen Angebote nicht an.

"Das Vertrauen in das chinesische „Presale“-Modell hat aber Risse bekommen: Zum einen müssen die meisten Betroffenen Abstriche hinnehmen, für die sie nicht entschädigt werden. Dagegen haben Banken und Regulatoren beim „Presale“-Modell ihren Überwachungsjob offenbar nicht gut gemacht, ohne dafür bestraft zu werden."

Unterm Strich entstand der Eindruck, dass wohl fast alle problematischen Wohnprojekte am Ende erfolgreich abgeschlossen werden. Das Vertrauen in das chinesische „Presale“-Modell hat aber Risse bekommen: Zum einen müssen die meisten Betroffenen Abstriche hinnehmen, für die sie nicht entschädigt werden.

Dagegen haben Banken und Regulatoren beim „Presale“-Modell ihren Überwachungsjob offenbar nicht gut gemacht, ohne dafür bestraft zu werden. Auf längere Sicht könnte das Modell womöglich sogar vom Markt verschwinden.

Einige Provinzen haben bereits ankündigt, dass Wohnungen ab einem bestimmten Zeitpunkt nur als „Spot“-Produkte zu verkaufen sind, also erst verkauft werden, nachdem sie fertiggestellt sind. Auch soll das Angebot von Sozialwohnungen schnell steigen.

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