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Gesellschaft
3 Minuten

Peking koppelt ab

- Flossbach von Storch

China ist dem Westen zunehmend fremd. Die Begeisterung für die schier unendlich scheinenden ökonomischen Möglichkeiten ist Misstrauen gewichen. Wie sehen das eigentlich die Chinesen?

Lehr: Du warst kürzlich in China, Philipp – warum eigentlich?

Vorndran: Da geht es schon los: Warum eigentlich nicht! China ist aus europäischer, insbesondere der deutschen Perspektive einer der wichtigsten Handelspartner. Mich fasziniert das Land, seit jeher.

Lehr: Wie würdest Du China beschreiben?

Vorndran: Nehmen wir Shanghai als Beispiel: Die Stadt ist erwachsen geworden! Ihre Infrastruktur übertrifft die in den westlichen Staaten mitunter deutlich. Das Wilde, das Aufstrebende der frühen 2000er-Jahre, also all das, was wir aus Fernsehreportagen über boomende Schwellenländer kennen – die vielen Mofas und laut hupenden Kleintransporter – sind passé.

Lehr: Stattdessen?

Vorndran: Sind die Straßen Shanghais heruntergeregelt; der Verkehr pulsiert gleichmäßig, aber bei Weitem nicht mehr so stark. Am Fenster des Taxis ziehen Parks und Alleen vorbei. Das Stadtbild ist viel mehr grün als grau. Dazu passt: Ein nicht unerheblicher Teil der Autos wird von E-Motoren angetrieben, auch das Taxi. Die Hersteller? Viele sind mittlerweile chinesisch.

Lehr: Du warst in der Vergangenheit häufiger dort. Hat sich das Land verändert?

Vorndran: Definitiv ja.

Lehr: Inwiefern?

Vorndran: China ist sich selbst genug.

Lehr: Wie meinst Du das?

Vorndran: Mit Englisch kommst Du heute nicht weiter, nicht mal in Shanghai. Wer kein Mandarin spricht, braucht einen Übersetzer. Das war mal anders. Und wer bezahlen will, Fahrkarten etwa für die U-Bahn oder die Rechnung im Restaurant, der braucht Alipay oder WeChat Pay, am besten verlinkt mit einem chinesischen Konto. Westliche Kreditkarten werden kaum noch akzeptiert. Die imaginäre chinesische Mauer scheint höher zu sein, als es von ihrer anderen, der westlichen Seite aus ausschaut.

Lehr: Dazu passt auch, dass Chinesen immer weniger reisen.

Vorndran: So ist es. Chinesische Reisegruppen waren einst berüchtigt im Westen. Von Jahr zu Jahr wurden sie mehr – bis Corona kam. Seither bleiben die Chinesen daheim. Auch auf Druck der Parteiführung.

Lehr: Wie beurteilst Du die Entwicklung?

Vorndran: Peking koppelt ab – und das ist nicht gut so.

Lehr: Du sprichst Mandarin. Was sagen denn die Chinesen dazu?

Vorndran: Ich spreche leidlich, also keine falschen Erwartungen! Aber es hilft, um Fragen zu stellen, insbesondere den jüngeren Chinesen – ihnen gehört die Zukunft. Was schnell klar wird: Die gefühlte Distanz zum Westen ist heute deutlich größer als früher. Fragen zu den Beziehungen zu Europa oder den USA wurden meist mit einer Gegenfrage beantwortet.

Lehr: Die lautete wie?

Vorndran: „Was haben wir euch eigentlich getan?“ China ist dem Westen zunehmend fremd. Die Begeisterung für die schier unendlich scheinenden ökonomischen Möglichkeiten ist Misstrauen gewichen. Wie sehen das eigentlich die Chinesen?

Lehr: Und, was meinen die Befragten?

Vorndran: Dass die Staaten des Westens vor allem eines haben, nämlich Angst, ihre Macht und ihren Einfluss zu verlieren. So einfach ist das.

Lehr: Das war mal anders ...

Vorndran: Ich kann mich noch gut an die Finanzkrisen-Zeit erinnern – 2007, 2008. Damals diskutierten Ökonomen über eine mögliche Entkopplung der Schwellenländer von den Industrienationen. Insbesondere China wurde als Konjunkturlokomotive hervorgehoben. Die Weltwirtschaft ist immer weiter verschmolzen. Die Globalisierung näherte sich ihrem Höhepunkt. Heute, zwei US-Präsidenten, eine Pandemie und ein Krieg in der Ukraine später, erscheint der Begriff „Entkopplung“ in einem anderen, einem gedimmten Licht. Die Globalisierung wird rückabgewickelt.

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