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Künstliche Intelligenz, mein Job und ich

Philipp Immenkötter

Aus meinem Arbeitsalltag ist künstliche Intelligenz nicht mehr wegzudenken. Ein Erfahrungsbericht.

In der Kundenbetreuung und unter Programmierern gehört künstliche Intelligenz (KI) bereits zum Standard. Im Arbeitsalltag eines Analysten in der Finanzbranche ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz jedoch an vielen Stellen eher Vision als gelebte Praxis.

Ich bin ständig auf der Suche nach Einsatzmöglichkeiten für KI, um meinen Arbeitsalltag effizienter zu gestalten und die Qualität meiner Beiträge zu erhöhen. Dabei habe ich festgestellt: Sinnvolle Anwendungsfelder zu finden, ist leichter gesagt als getan.

Manch ein Investor träumt von einer KI, die ihm fehlerfrei die entscheidenden Eigenschaften eines Unternehmens oder von Märkten verrät, so dass er sich schon heute der langfristigen Entwicklung sicher sein kann. Viele Start-ups arbeiten unermüdlich daran, diesen Traum wahr werden zu lassen. Das Angebot an KI-Tools ist dementsprechend groß und regelmäßig erhalte ich E-Mails mit immer ansprechenderen KI-Tools.

Aus diesem Traum erwacht man jedoch schnell, wenn man sich die Frage stellt: Warum wird dieses Produkt zum Verkauf angeboten, wenn der Erfinder es doch besser selbst und exklusiv nutzen könnte, um die Rendite abzuschöpfen? Die Antwort liegt meist auf der Hand. So leicht erfüllt sich der Traum dann eben doch nicht. Als Analyst muss ich einen pragmatischeren Weg einschlagen, um Vorgänge zu finden, bei denen mir KI-Tools weiterhelfen können.

Wenn mich jemand fragt, wie mein Arbeitsalltag als Analyst aussieht, antworte ich gerne: „Lesen, Denken, Schreiben“. Etwas präziser formuliert bedeutet dies:

  • Informationen suchen
  • Thesen formulieren und belegen
  • Ergebnisse kommunizieren

Die Arbeitsschritte sind in der Regel nicht klar voneinander zu trennen, laufen zeitlich durchmischt und je nach Themengebiet ist man länger mit dem einen oder anderen Schritt beschäftigt. Dennoch bietet sich die Dreiteilung bestens an, um Anwendungsfälle für den Einsatz von KI auszumachen.

Informationen suchen

KI-Anwendungen, die auf Sprachmodellen wie ChatGPTBingChatBard oder HuggingChat aufbauen, sind vielversprechende Kandidaten, um Unterstützung bei der Informationssuche zu bieten. Wer sich ernsthaft mit den Sprachmodellen, auch Chatbots genannt, beschäftigt hat, weiß, dass Prompt Engineering (die Eingabe richtig zu formulieren) eine Herausforderung für sich allein ist. Neben eigenen Erfahrungen findet man online diverse Hilfestellungen, mithilfe derer man lernen kann, seine Eingaben zu präzisieren. Nicht selten liegt der Grund für eine unpassende Antwort in der unpräzisen Eingabe.

Gängige Theorien sowie wirtschaftliche Zusammenhänge und Informationen über Unternehmen können mithilfe von Chatbots schneller und verständlicher aufgenommen werden, als wenn man sich der Fragestellung mithilfe einer Suchmaschine nähert. Will man jedoch in die Tiefe gehen, wird die Informationslage schnell dünn. Stellt man Fragen zu Themen, die abseits des Allgemeinwissens liegen, z.B. Details zu mittelständischen Unternehmen, fangen die Chatbots schnell an zu halluzinieren. Sie treffen sachlich falsche, aber plausibel klingende Aussagen.

Eine erhebliche Qualitätsverbesserung bieten Chatbots, die auf eine Informationsdatenbank zurückgreifen und die Informationen nicht primär aus dem eigenen Gedächtnis hervorrufen. Eine solche Informationsdatenbank kann beispielsweise dadurch erzeugt werden, dass der Chatbot eine Internetsuche durchführt. Die Ergebnisse der Internetsuche fließen in eine temporäre Informationsdatenbank, die das Sprachmodell heranzieht, um eine Antwort zu formulieren. Bei der Kombination aus Sprachmodell und Informationsdatenbank treten Halluzinationen deutlich seltener auf.

Für viele meiner Analysen sind die relevanten Informationen in Veröffentlichungen von Unternehmen und Institutionen zu finden. Sie stecken in Texten und Tabellen, die häufig weder standardisiert verfügbar sind noch über Datenbanken abgerufen werden können. An dieser Stelle kommen Chatbots zu Hilfe, mit denen man Dokumente durchsuchen kann. Der Bot soll dann seine Antwort primär basierend auf den Informationen des Dokuments und nicht basierend auf seinem Gedächtnis formulieren.

Teilweise funktionieren solche Abfragen sehr gut, oft aber leider auch gar nicht. Während aus kurzen PDFs Informationen noch präzise herausgelesen werden können, umfangen Geschäftsberichte schnell mehr als 200 Seiten. Solche Dokumente sprengen die Eingabekapazitäten der Sprachmodelle. Statt einer präzisen Antwort erhält man vage Aussagen oder bekommt Halluzinationen präsentiert.

Halluzinationen sind ein ernst zu nehmendes Problem. Dennoch sollte der Einsatz von KI, die auf Sprachmodellen basiert, nicht gänzlich abgelehnt werden. Denn ein ähnliches Problem stellt sich, wenn man einen neu eingestellten Research Assistent mit der Informationssuche beauftragt. Weder haben menschliche Assistenten unbegrenzte Kapazitäten, noch läuft die Informationsaufnahme und -verarbeitung immer fehlerfrei ab. Daher muss man sich auch hier entscheiden, ob man die gefundenen Informationen ungeprüft übernimmt oder versucht, sie zu verifizieren. Nach einiger Zeit bekommt man jedoch einen guten Eindruck von der Qualität der Arbeit des neuen Assistenten und kann - im besten Fall - die Informationen nach einer Plausibilitätsprüfung übernehmen. Verbringt man hingegen mehr Zeit mit der Überprüfung der Informationen als mit der eigenständigen Recherche, bieten weder Chatbot noch Assistent einen Mehrwert.

Thesen formulieren und belegen

Geht es darum, anhand der erhobenen Informationen Thesen zu formulieren, können meiner Erfahrung nach KI-Systeme nur einen geringen Mehrwert bieten. Bei Chatbots ist dies auch nicht verwunderlich, wenn man sich die Arbeitsweise der Sprachmodelle anschaut. Die Bots besitzen keinen Wissensfundus, sondern setzen Wörter zusammen, die gegeben der Eingabe am besten zusammenpassen.

Allerdings kann man die Sprachmodelle hervorragend dafür nutzen, die eigenen Thesen auf den Prüfstand zu stellen. Man gibt die eigene These ein und fragt anschließend, welche Argumente dagegensprechen und welche alternativen Erklärungen es geben könnte. Die Antworten der Bots greifen häufig dem vor, was später Leser als Kritik entgegenbringen könnten. So kann man diese Punkte selbst im Beitrag ansprechen.

Bei der Auswertung von Daten können andere KI-Systeme, wie beispielsweise Machine Learning Algorithmen, helfen, Zusammenhänge zu identifizieren. Hier kann in der Tat künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen, jedoch sind die Datensätze, die von mir erhoben werden, in der Regel nicht so umfänglich, als dass sich der Aufwand für den Einsatz komplexer Algorithmen lohnen würde, geschweige denn, dass der Algorithmus aus den Daten lernt, um eigenständig Thesen zu erschließen. Statistische Verfahren angefangen bei Durchschnittsbildungen bis zu Random-Forest-Schätzungen reichen für meine Auswertungen völlig aus.

Ergebnisse kommunizieren

Chatbots sind wahre Sprachkünstler. In der Kommunikation können sie hervorragend für Effizienz- und Qualitätsgewinne eingesetzt werden. Dies fängt beispielsweise bei Übersetzungen an. Die englischsprachige E-Mail ist mithilfe eines Chatbots schnell formuliert. Auch die Übersetzung eines langen Beitrags, die ohne Hilfsmittel viele Stunden in Anspruch nehmen würde, kann ich mithilfe von KI-basierter Übersetzungssoftware wie DeepL effizient innerhalb von einer Stunde erledigen. Der resultierende Text ist frei von Grammatik- und Tippfehlern. Lediglich ist es notwendig, Formulierungen zu kontrollieren und gegebenenfalls Fachbegriffe durch die korrekten Wörter zu ersetzen.

Auch für die Erstellung von Zusammenfassungen und Überschriften eignen sich die Sprachmodelle meines Erachtens bestens. Man darf jedoch nicht erwarten, dass die Vorschläge der Chatbots den eigenen Ansprüchen und Vorstellungen genügen. Mir dienen sie eher der Inspiration.

Die Vorschläge eines Sprachmodells können genutzt werden, um einzuschätzen, was ein Leser aus meinen Beiträgen mitnehmen wird. Gibt ein Bot in seiner Zusammenfassung Inhalte wieder, die für den Beitrag nicht zentral sind, so muss man sich die Frage stellen, ob man den Hauptargumenten genügend Raum eingeräumt hat.

Sprachmodelle eignen sich auch, um nach Alternativen für eigene Formulierungen zu suchen. Grammatik- und Tippfehler können so schnell erkannt werden. Erfahrungsgemäß übersehen sie jedoch, wie das eigene Auge auch, regelmäßig Tippfehler.

Möchte man ganze Texte durch einen Chatbot von Grund auf neu formulieren lassen, steht man vor dem Problem, dass Chatbots umfangreiche Informationen benötigen, um einen Text mit einer vorgegebenen Hypothese zu verfassen. Möchte man zusätzlich, dass die eigenen gefundenen Zusammenhänge als Beleg genutzt werden, wird die Eingabe umfangreich und gleicht schon fast einem eignen Text. Hält man die Eingabe kurz, so ist der resultierende Text generisch und birgt aus meiner Sicht für ein Research Institute keinen oder nur geringen Mehrwert.

Fazit

Künstliche Intelligenz kann die Arbeit von Analysten in der Finanzbranche erleichtern. Besonders bei der Informationssuche und der Kommunikation können Sprachmodelle Vorgänge effizienter gestalten und die Qualität der Arbeit erhöhen.

Ich nehme künstliche Intelligenz nicht als eine Bedrohung für die Tätigkeit eines Finanzanalysten wahr. Vielmehr sehe ich in KI-Systemen einen kreativen, viel wissenden, aber auch fehlbaren Assistenten. Ich bin gespannt, welche Möglichkeiten mir die Technik in Zukunft bieten wird.

Glossar

Verschiedene Fachbegriffe aus der Welt der Finanzen finden Sie in unserem Glossar erklärt.

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Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde, auch (oder besser: insbesondere) an der Börse. Aktien, die als die großen KI-Profiteure gelten, haben ein Hoch nach dem anderen erklommen, bevor so manche von ihnen Anfang August korrigierten. Was bedeutet das langfristig für Anlegerinnen und Anleger?

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