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Geldanlage
9 Minuten

KENN(die)ZAHLEN – Duration

- Sven Langenhan

Anleihen sind komplexe Gebilde. Ob sie sich lohnen, hängt von vielen Faktoren ab. Die richtigen Kennzahlen helfen. Teil 2 unserer kleinen Serie.

Wenn Sie unsere Artikel über Anleihen regelmäßig lesen, dürfte Ihnen eins nicht entgangen sein: „Buy and hold“, das früher so beliebte Kaufen und Halten einer Anleihe, hat in Zeiten von Null- und Minuszinsen ausgedient. Trotzdem wird die Anlageklasse immer noch gerne als „Fixed Income“ bezeichnet. Zu Unrecht, denn nur wer ständig alle Ertragsquellen nutzt und die Papiere temporär hält, kann noch auskömmliche Renditen erzielen.

Kennzahlen wie die Rendite p.a. haben in dieser neuen Anleihewelt, zumindest isoliert betrachtet, wenig (bis gar keine) Aussagekraft. Vielleicht wäre es an der Zeit, dem Anleihemarkt einen neuen Namen zu geben. Wir hätten jedenfalls schon mal einen Vorschlag: „Active Income“ träfe die aktuellen Realitäten am Anleihemarkt wohl sehr viel besser.

Über Sinn und Unsinn von Kennzahlen

In unserem Alltag erreichen uns beinahe täglich Anfragen zu Kennzahlen und Statistiken unserer Fonds. Die meisten davon haben vor allem isoliert betrachtet wenig bis keine Aussagekraft und führen in der heutigen Anleihenwelt schnell zu Fehlinterpretationen.

Das gilt auch bei der nach der jährlichen Rendite zweitbeliebtesten Kennzahl: der Duration. Schon bei der Definition, was sie genau aussagen soll, wird es kompliziert. Denn es gibt mehrere Durationen. Etwa die „Macaulay Duration“, die in Jahren gemessen wird. Oder die „Modifizierte Duration“, die in Prozent gemessen wird. Oder soll es lieber die „Spread Duration“ sein, die zeigen soll, wie ein Portfolio etwa bei Änderungen von Risikoaufschlägen von Unternehmenstiteln zu Staatsanleihen reagiert? Natürlich gäbe es auch noch die „Effective Duration“, welche die Wirkung von Optionen im Bestand berücksichtigt…

So unterschiedlich die zahlreichen Durationsbegriffe auch sein mögen, eines haben sie gemeinsam. Es handelt sich um rein mathematische Größen und in den meisten Fällen nur um die Durchschnittswerte des Portfolios. Schon allein deshalb sind sie mit Vorsicht zu genießen. Aber der Reihe nach.

Beginnen wir mal mit der Duration nach Macaulay, die in Jahren gerechnet wird. Sie beschreibt die mittlere Kapitalbindungsdauer einer Anleihe (beziehungsweise der Anleihen im Portfolio). Mit dieser Kennzahl möchte man einen Anhaltspunkt dafür geben, wann der theoretische Zeitpunkt der vollständigen Rückzahlung des eingesetzten Kapitals ist. Bei der modifizierten Duration setzt man dies hingegen noch ins Verhältnis zur Rendite, so dass diese Kennzahl nunmehr in Prozent ausgedrückt wird und einen Rückschluss auf die Zinssensitivität einer Anleihe oder eben eines Portfolios geben soll.

Auf ein Detail kommt es an

Und genau da wird es nun spannend (und auch etwas kritisch). Einerseits gilt diese vermeintliche Risikokennzahl, welche sich „leider“ auch noch sehr dynamisch verändern kann, nur für jeweils kleine Marktbewegungen als verlässlicher Indikator. Und andererseits wird es besonders bei Portfoliokennzahlen schnell unübersichtlich. Denn die klassische Lehre sagt beispielsweise, dass man bei steigenden Zinsen besser eine niedrige Duration, und im Falle sinkender Zinsen eher eine hohe Duration im Portfolio haben sollte.

Und genau das macht, rein isoliert betrachtet, leider wenig Sinn. Natürlich beschreibt die Duration als Kennzahl quasi eine Art Hebelwirkung auf Renditeveränderungen (Sie erinnern sich an den ersten Teil der Serie: Die Rendite verändert sich bei gegebenem Kupon rein über Preisveränderungen der Anleihe). Je höher dabei die Duration desto größer der Hebel. Aber die noch wichtigere Frage lautet doch zunächst: Wo genau, das heißt, an welchem Punkt und auf welcher Zinsstrukturkurve, verändern sich die Renditen?

Selten beobachtet man beispielsweise, dass sich mehrere Zinskurven parallel verschieben, auch wenn uns das die reine Theorie so lehren möchte. Und nicht immer reagieren alle Zinskurven auf der Welt gleich, was bei einem global aufgestellten Portfolio aber durchaus relevant ist, jedoch nicht in einer Durchschnittszahl abgebildet werden kann.

Theorie und Praxis

Wie das in der Praxis funktioniert, zeigt ein Beispiel. Vor nicht allzu langer Zeit waren wir in den USA noch in einem Zinserhöhungszyklus (den im Übrigen viele Marktbeobachter auch für Europa erwartet hatten). Die Zinsen in den USA sind vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie tatsächlich auch gestiegen – und nicht wenige Investoren richteten sich nach der klassischen Lehre, in einer solchen Phase eine möglichst kurze Duration zu halten.

Auch in Europa haben sie sich vorsichtshalber schon einmal mit niedrigen Portfoliodurationen auf steigende Zinsen vorbereitet. Dumm nur, dass die Zinsen in den USA lediglich am sogenannten kurzen Ende der Zinskurve gestiegen und am langen Ende per Saldo sogar gesunken sind. Und auch in Europa vor allem im langen Laufzeiten-Bereich immer weiter fielen. Folglich war eine hohe Duration trotz (in einem anderen Laufzeit-Bereich) steigender Zinsen für Anleger deutlich vorteilhafter.

Wie so oft im Leben, steckt auch bei Anleihen der Teufel im Detail. Es gibt die verschiedensten Anleihesegmente und -arten, deren Risikoaufschläge (Credit Spreads), wiederum ganz anders (oder auch gar nicht) auf Veränderungen bei den Renditen von deutschen oder US- Staatsanleihen reagieren (die gerne als „risikofreier Zins“ bezeichnet werden). Auch dieses Phänomen bildet die Duration nicht ab. Viele Investoren fragen deshalb nach der sogenannten „Spread Duration“, welche vermeintlich das Risiko in Bezug auf die Kreditrisikoaufschläge widerspiegelt.

Sie ahnen es: Auch hier reicht die reine Kennzahl nicht aus, um die komplexe Realität abzubilden. Denn ein am Markt gebildeter Anleihepreis unterscheidet natürlich nicht danach, was genau die Ursache für die Preisänderung war. Insofern zeigt die „Spread Duration“ – anders als viele glauben – gar nicht die wahre Anfälligkeit eines Portfolios für Kreditrisiken. Sie spiegelt „lediglich“ das Durationsrisiko des klassischerweise mit Kreditrisikoaufschlägen behafteten Portfolioanteils in Relation zum Gesamtportfolio wider. Dennoch erzeugt diese Kennzahl bei vielen Anlegern noch den klassischen Impuls: Je höher die „Spread Duration“, so ihre Überzeugung, desto risikoreicher soll das Portfolio aufgestellt sein.

Auch in diesem Falle – Sie werden es sich schon denken – geht die auf eine isoliert betrachte Kennzahl eingeengte Weltsicht an der Wirklichkeit vorbei. Oder was empfinden Sie – natürlich auch isoliert betrachtet – als risikoreicher: Eine etwas höhere Duration im Bestand von Unternehmensanleihen mit Top-Bonität oder eine etwas kürzere Duration bei „High Yield Bonds“, also Anleihen von Emittenten mit zum Teil schwacher Bonität, die auch gerne mal als „Ramschanleihen“ („Junk Bonds“) bezeichnet werden?

Optionen und die Duration

Auch wenn die Analyse der Kennzahlen vielleicht etwas akademisch wirken mag, möchten wir uns bei der Gelegenheit auch der bereits erwähnten „Effective Duration“ widmen. Diese soll (vermeintliche) Optionalitäten in Anleihen berücksichtigen und die Durationskennzahl entsprechend bereinigen. Da kann es dann tatsächlich vorkommen, dass Anleihen mit negativen Durationen ausgewiesen werden. Das hat den Effekt, dass mit Blick auf die Definition der durchschnittlichen Kapitalbindungsdauer Anleger in diesem Falle (natürlich rein theoretisch) Ihr Kapital zurückerhalten bevor Sie es überhaupt investiert haben.

Die diesbezüglichen Zusammenhänge hier im Detail zu erläutern, würde wohl den Rahmen sprengen. In Kurzform kann man aber sagen, dass es gerade bei in Anleihen vorhandenen Optionalitäten (wie zum Beispiel bei speziellen Kündigungsrechten) sehr stark auf das jeweilige Detail sowie ungeschriebene Marktgesetze ankommt – und eben nicht auf theoretische Finanzkennzahlen. So erklärt sich im Übrigen auch, warum wir im zweiten Satz dieses Absatzes das Wort „vermeintlich“ in Klammern hinzugefügt haben.

Klingt alles furchtbar kompliziert? Ist es auch, aber mit Expertise, Erfahrung und kaufmännischem Gespür sind Anlagen am Anleihemarkt kein Hexenwerk. Man sollte jedoch in dem in den vergangenen Jahren immer anspruchsvoller gewordenen Marktumfeld vielleicht erwägen, die Entscheidungen Profis zu überlassen. Das ist natürlich auch weiterhin keine Garantie für den Erfolg der Kapitalanlage. Es kann das Chance-Risiko-Verhältnis aber ungemein Verbessern.

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