Die Notenbanken lassen die Zinsen steigen. Vor allem unprofitable und hoch verschuldete Unternehmen leiden nun unter hohen Kreditkosten. Was bedeutet das für Anleger?
Die Notenbanken ziehen ihre Zinsen hoch, um die Inflation zu bekämpfen. Die restriktivere Geldpolitik bleibt nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen – vor allem für wenig (oder gar nicht) profitable Unternehmen, unter denen sich auch einige „Zombies“ befinden, die teilweise auf erheblichen Schuldenbergen sitzen und denen nun das Geld auszugehen droht.
Noch ist die Zinslast niedrig, weil die vor Jahren emittierten Anleihen oder aufgenommenen Kredite niedrige Zinskupons aufweisen. Die anstehenden Refinanzierungen werden allerdings deutlich teurer, sofern die Unternehmen überhaupt noch an Geld kommen.
Ein besonders krasses Beispiel ist etwa der US-Online-Autohändler Carvana, der im Jahr 2021 in der Spitze einen Börsenwert von 60 Milliarden US-Dollar erreichte. Zum Ende des ersten Quartals war das Unternehmen nur noch mit 1,6 Milliarden Dollar bewertet. Seit dem Börsengang im Jahr 2017 hat Carvana in Summe Umsätze von 38 Milliarden Dollar erzielt und dabei Verluste von 4,4 Milliarden verbucht. Die Finanzschulden betragen 7,9 Milliarden Dollar, in der Kasse lagen zum Jahresende noch rund 400 Millionen Dollar.
In Summe dürften sich die Zinsausgaben dieses Jahr auf mehr als 600 Millionen Dollar belaufen. Für ein Unternehmen, das noch nie Gewinne gemacht hat und auf einem Schuldenberg von 8 Milliarden Dollar sitzt, ist dies eine große Bürde. So verwundert es nicht, dass die Anleihen des Unternehmens inzwischen weit unter ihrem Nominalwert handeln und Renditen von deutlich über 20 Prozent aufweisen.
Ähnlich dramatisch sieht es bei anderen Highflyern des Technologiebooms wie beispielsweise Opendoor aus. Die Immobilienplattform schrieb in den vergangenen Jahren immer größere Verluste und hat einen Schuldenberg von mehr als vier Milliarden Dollar aufgetürmt. Der Börsenwert ist von 20 auf eine Milliarde gefallen und die Anleihen rentieren mit mehr als 20 Prozent.
Die Liste an Zombies ließe sich beliebig fortführen. Auch wenn der Zinsanstieg zumeist nicht ursächlich für die Probleme ist, verschärft er sie, weil es für die Unternehmen zukünftig viel schwieriger und teurer wird, bestehende Schulden zu refinanzieren oder neues Kapital aufzunehmen, zumal der Risikoappetit der Banken nach den jüngsten Turbulenzen geringer werden dürfte.
Auch Immobilienunternehmen, die mit hohem Fremdkapitaleinsatz arbeiten, leiden unter dem starken und raschen Zinsanstieg. Hinzu kommen steigende Kosten für Instandhaltung, energetische Sanierungen und Verwaltung. Wenn die Mieteinnahmen mit dem Kostenanstieg nicht Schritt halten können, fallen die Gewinne. Sollten die Zinsen weiter steigen, droht ein langanhaltendes Siechtum, denn in den nächsten Jahren müssen die niedrig verzinsten Altschulden durch deutlich teurere, neue Kredite ersetzt werden.
Für die Banken ist dies zunächst wenig problematisch, da ihre Kredite durch Tilgungen und gestiegene Immobilienwerte zumeist gut besichert sind. Allerdings hat der Anstieg des Zinsniveaus zu einem starken Rückgang des Neukreditgeschäfts geführt.
Dies gilt auch für die USA, wo Immobilienkredite mit typischerweise 30 Jahren Laufzeit inzwischen rund sieben Prozent kosten. Kreditnehmer, die sich bereits vor Jahren einen deutlich niedrigeren Zins gesichert haben, können den Zinsanstieg gelassen sehen.
Den Banken dagegen dürfte es Tränen in die Augen treiben, wenn sie die niedrige Verzinsung ihrer Altkredite betrachten, aber nur wenig hochverzinsliches Neugeschäft machen können. Gleichzeitig wird die Refinanzierung teurer, denn immer weniger Anleger dürften bei anhaltend hohen Zinsen noch bereit sein, ihre Spar- und Kontoguthaben nahezu unverzinst der Bank zu überlassen.
Dies gilt auch für europäische Institute, deren Aktien zu Beginn des Jahres noch stark gestiegen waren, weil die hohen Zinsen lukrative Anlagemöglichkeiten der unverzinsten Guthaben und damit eine fette Zinsmarge versprachen. Nun aber verlangen Kunden zunehmend höhere Zinsen oder schichten ihre Bankguthaben in höher rentierliche Anlagen um. Gleichzeitig droht die Neukreditvergabe zu sinken, weshalb die erhoffte Verbesserung der Ertragsentwicklung ausfallen dürfte.
Unser Fazit: In Zeiten steigender Zinsen, einer restriktiveren Kreditvergabe der Banken, einer möglichen Wirtschaftsschwäche und einer hartnäckig hohen Inflation ist die Qualität von Unternehmen von besonderer Bedeutung. Hierzu zählt ein möglichst sicheres langfristiges Ertragswachstum dank einer starken Wettbewerbsposition und der damit verbundenen Preissetzungsmacht.
Auch die Solvenz, die in Zeiten unbegrenzten Zugangs zu billigem Geld eine untergeordnete Rolle spielte, rückt wieder in den Vordergrund. Unternehmen, die traditionell mit hohen Schulden operieren, spüren nun die unangenehme Seite des Kredithebels.
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