China ist dem Westen zunehmend fremd. Die Begeisterung für die schier unendlich scheinenden ökonomischen Möglichkeiten ist Misstrauen gewichen. Wie sehen das eigentlich die Chinesen? Ein Ortsbesuch.
China bestimmt die Schlagzeilen. Der sich immer weiter nährende Taiwan-Konflikt. Oder die Schwäche der heimischen Wirtschaft, nicht zuletzt ausgedrückt durch die scheinbar massiven Probleme auf dem Immobilienmarkt. Beide, Geopolitik und Ökonomie, wirken bedrohlich auf Beobachter aus dem Westen.
Ich war im August in China, um mir vor Ort ein Bild zu machen über die derzeitige Stimmung. Wie sehen die Chinesen ihr Land – im Gegensatz zu denen, die von außen darauf blicken, also uns?
Ich habe China in der Vergangenheit häufig bereist, auch wenn der jüngste Besuch schon eine Weile her ist, rund sechs Jahre. Das Land fasziniert mich, immer wieder. Glücklicherweise spreche ich halbwegs passables Mandarin. Das hilft vor Ort sehr. Insofern soll es in diesem Beitrag weniger um ökonomische Datenreihen und Prognosen zur ökonomischen Leistungsfähigkeit der Volksrepublik gehen, als vielmehr um meine persönlichen Beobachtungen, die ich während meines Besuches machen durfte. Dazu habe ich vor allem mit jungen Menschen gesprochen – ihnen gehört die Zukunft.
Wer mit dem Taxi durch Shanghai fährt, dem fällt zweierlei auf – erstens: Die Stadt ist erwachsen geworden! Ihre Infrastruktur übertrifft die in den westlichen Staaten mitunter deutlich. Das Wilde, das Aufstrebende der frühen 2000er-Jahre, also all das, was wir aus Fernsehreportagen über boomende Schwellenländer kennen – die vielen Mofas und lauthupenden, stinkenden Kleintransporter, kurz: das ultimative Verkehrschaos – sind passé.
Die Straßen Shanghais sind akribisch heruntergeregelt; der Verkehr pulsiert gleichmäßig, aber bei weitem nicht mehr so stark. Am Fenster des Taxis ziehen Parks und Alleen vorbei. Das Stadtbild ist vielmehr grün als grau (wenn man die vielen roten Fahnen mal beiseitelässt). Dazu passt: Ein nicht unerheblicher Teil der Autos auf den Straßen wird von E-Motoren angetrieben, auch das Taxi. Die Hersteller? Viele sind mittlerweile chinesisch.
Und da wären wir denn auch bei meiner zweiten Beobachtung: China scheint sich selbst zunehmend genug sein. Das gilt nicht nur für die Wahl des Autos.
Mit Englisch kommen sie als Besucher heute nicht (mehr) weiter, nicht mal in der Metropole Shanghai. Wer kein Mandarin spricht, braucht einen Übersetzer. Das war mal anders. Und wer bezahlen will, Fahrkarten etwa für die U-Bahn oder die Rechnung im Restaurant, der braucht Alipay oder WeChat-Money, am besten verlinkt mit einem chinesischen Konto. Westliche Kreditkarten werden kaum noch akzeptiert und funktionieren als Basis für Alipay und WeChat-Money leider allzu oft nicht.
Die imaginäre (chinesische) Mauer scheint bereits höher zu sein, als es von ihrer anderen, der westlichen Seite aus ausschaut. Dazu passt auch: Die Chinesen reisen immer weniger. Chinesische Reisegruppen waren einst berüchtigt im Westen. Von Jahr zu Jahr wurden sie mehr – bis Corona kam. Seither bleiben die Chinesen daheim. Auch auf Druck der Parteiführung.
Spricht man junge Menschen auf den Westen an, erscheint die gefühlte Distanz heute deutlich größer als früher. Fragen zu den Beziehungen zu Europa oder den USA werden meist mit einer Gegenfrage beantwortet: „Was haben wir euch eigentlich getan?“. Schlussendlich sind die Menschen dort überzeugt, dass die Staaten des Westens vor allem eines haben, nämlich Angst, ihre Macht und ihren Einfluss zu verlieren. So einfach ist das …
Kurz nach Ausbruch der Finanzkrise 2007/08 haben Ökonomen über eine mögliche Entkopplung der Schwellenländer von den Industrienationen diskutiert. Insbesondere China wurde als Konjunkturlokomotive hervorgehoben. Die Weltwirtschaft ist weiter verschmolzen. Die Globalisierung näherte sich ihrem Höhepunkt.
Heute, zwei US-Präsidenten (Trump und Biden), eine Pandemie und ein Krieg in der Ukraine später, erscheint der Begriff „Entkopplung“ in einem anderen, einem gedimmten Licht.
Die Globalisierung wird rückabgewickelt.
Verschiedene Fachbegriffe aus der Welt der Finanzen finden Sie in unserem Glossar erklärt.
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