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Quo vadis, Geldpolitik?

- Dr. Pablo Duarte

Die Leitzinsen sind auf (temporären) Höchstständen angelangt – und die Inflation wird schwächer. War es das jetzt? Eine Bestandsaufnahme. 

Geldpolitik ist ein sensibles Geschäft, vor allem in Zeiten hoher Inflationsraten. Wenn die Notenbanken die Zinsen zu langsam hochziehen, wird es nichts mit der Inflationsbekämpfung. Zu starke Zinssteigerungen haben – insbesondere nach einer langen Phase von Null- und Negativzinsen –  einige Risiken und Nebenwirkungen. Das Wirtschaftswachstum bricht ein – und die Fragilitäten im Finanzsystem werden aufgedeckt.

 

Die Auswirkungen einer restriktiveren Geldpolitik zeigen sich immer erst verzögert. Volkswirtschaften sind sehr komplex, es gibt Interaktionen, einfache Formeln helfen da nicht weiter. Im Zweifel kann es sich für Notenbanker daher lohnen, einfach mal abzuwarten, wie die Maßnahmen wirken.

 

So wie zuletzt die US-Notenbank Federal Reserve (Fed), die in der vergangenen Sitzung die Zinsen erstmal nicht weiter anzog und die Tür für weitere Anhebungen offenließ. Die Fed ist schon einen Schritt weiter als die Europäische Zentralbank (EZB), die ihre Leitzinsen am 15. Juni um 0,25 Prozentpunkte erhöhte. Wirkt die restriktivere Geldpolitik – und sind die Risiken und Nebenwirkungen vertretbar? Einige Punkte finden wir in diesem Zusammenhang interessant.

Inflationsdruck bleibt bestehen

Der Inflationsdruck besteht weiter, in den USA, wie in der Eurozone. Zwar sind die Inflationsraten zuletzt gesunken, vor allem wegen des Rückgangs der Energie- und Konsumgüterpreise, im Zuge einer Normalisierung der Lieferketten. Anders sieht es bei den Preisen für Dienstleistungen aus, die die Inflation auch im Zuge robuster Nachfrage und steigender Löhne und robuster Arbeitsmärkte weiter anfeuern.

Vor allem in den USA bleibt der Arbeitsmarkt eng. Die Vakanz von offenen Stellen sinkt seit einem Jahr, ohne dass die Arbeitslosenquote steigt. Das starke Lohnwachstum von mehr als fünf Prozent zeigt, dass die restriktivere Geldpolitik auf dem Arbeitsmarkt noch nicht angekommen ist.

In der Eurozone bleibt die Kerninflation hoch. Die „Supercore“-Inflation, die nur Waren betrachtet, die sich nicht mit dem Konjunkturzyklus bewegen, erreichte im April 6,3 Prozent. Die Inflation zeigt sich hartnäckig. Wenn die Geldpolitik nicht noch eine ordentliche Schippe drauflegt, dürften sich die Inflationsraten aus unserer Sicht sowohl in den USA als auch in der Eurozone auf einem Niveau stabilisieren, das merklich oberhalb des erklärten Ziels von zwei Prozent liegt. Zumindest wenn wir nicht neue Krisen sehen, in der Geopolitik, dem Finanzsystem oder in Bereichen, an die wir aktuell noch gar nicht denken.

In Europas Wirtschaft zeigen sich schon erste Risse, die zum Teil auf die negativen Auswirkungen der restriktiveren Geldpolitik zurückgeführt werden können. Die Industrieproduktion liegt in der gesamten Eurozone zwar leicht über dem Niveau von Januar 2020. Allerdings haben die größten Volkswirtschaften der Eurozone wenig zur Erholung beigetragen. Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich liegt die Industrieproduktion immer noch unter dem vorpandemischen Niveau und stagniert seit mehreren Monaten (was sicher auch an strukturellen Problemen liegt).

Hinzu kommt: Die Kreditnachfrage bricht in der Eurozone ein. Darauf deutet zumindest der „Bank Lending Survey (BLS)“ der EZB hin, der die Differenz zwischen dem Anteil der Banken definiert, die eine steigende Kreditnachfrage melden und dem Anteil derer, die eine sinkende Nachfrage beobachten. Für das zweite Quartal 2023 ist die Nettokreditnachfrage der Unternehmen von minus 12 Prozent auf minus 38 Prozent zurückgegangen. Sinkende Kreditvergaben deuten darauf hin, dass das Wirtschaftswachstum in Folge schwächelt.

Politik und Geldpolitik

Ohnehin steht die EZB vor einer Mammutaufgabe. Sie muss geldpolitische Entscheidungen für 20 verschiedene Länder treffen. Der Währungsraum ist äußerst heterogen, die Bandbreite der Inflationsraten liegt zwischen drei Prozent (Spanien) und elf Prozent (Estland). Die Geldpolitik der Eurozone wird zudem von der Fiskalpolitik der Länder dominiert. Die Refinanzierungskosten hoch verschuldeter Länder wie Italien und Spanien dürften eine gewichtige Rolle dabei spielen, wann die EZB ihre Zinserhöhungen einstellen könnte.

Die europäischen Notenbanker haben sich schon öfter an den Maßnahmen der US-Fed orientiert und immer wieder betont, dass sie datenabhängig agiert. Wenn also die Fed eine (angekündigte) Pause einlegt, könnte die EZB etwas später folgen. Mittelfristig werden aber die Inflationsraten die wichtigste Variable sein, an der sich die EZB orientiert. Allerdings könnte sie (mit Blick auf die geschilderten Vorgaben) ein höheres Inflationsziel akzeptieren, ohne dies ausdrücklich anzukündigen.

Und die Fed? Sie hat Möglichkeit weiterer Zinserhöhungen in Aussicht gestellt. Wenn der Inflationsdruck nicht nachlässt, könnten die Zinsen dann in der zweiten Jahreshälfte wieder steigen, auch wenn die Marktteilnehmer das bislang eher weniger erwarten.

Wobei wir wieder beim Wesen der Geldpolitik sind, die in gewisser Weise auch immer nach dem Prinzip „Trial an Error“ funktioniert. Es bleibt abzuwarten, wie die restriktivere Geldpolitik wirkt. Mit allzu zielgenauen Prognosen halten wir uns angesichts der Komplexität des Themas daher eher zurück. Warten wir einfach ab – und setzen nicht alles auf eine Karte, die vielleicht niemals gezogen wird. 

Den aktuellen Konjunkturbericht des Flossbach von Storch Research Institute finden Sie hier: Real Economy Outlook (flossbachvonstorch-researchinstitute.com)

 

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