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Was ist mit dem Yen los?

- Flossbach von Storch

Die japanische Währung hat gegenüber dem US-Dollar rapide an Wert verloren. Plötzlich wertet der Yen wieder auf. Wo geht die Reise hin?  

Herr Prof. Schnabl, in Ihrem jüngsten Kommentar beschreiben Sie den Wertverlust des Yen.

Prof. Gunther Schnabl: Ja, im Januar 2021 lag der Wechselkurs für einen US-Dollar bei 104 Yen, Ende Juni 2024 waren es über 160 Yen. Im Juli gab es dann eine leichte Erholung, so dass es zum Monatswechsel immer noch rund 150 Yen waren.

Das ist allerhand und bedeutet für uns Europäer doch auch, auf nach Japan! Endlich ist es günstig geworden.

Schnabl: Das stimmt und es ist sicher eine lohnende Reise. Doch Sie sind nicht die Erste mit dieser Idee. In Japan klagt man über eine „Übertourismus-Krise“, die malerischen Landschaften würden durch einen „Selfie-Wahn“ verschandelt. Aber im Ernst - Japans Finanzministerium hat bereits mit Devisenmarktinterventionen auf den Yen-Verfall regiert. Denn die Abwertung ist längst ein politisches Problem, weil sie die Preise von Lebensmitteln und Energie nach oben getrieben hat. Die Popularitätswerte des Ministerpräsidenten Fumio Kishida sind im Keller.

Die Bank of Japan (BoJ) hat ja im März auch schon zum ersten Mal seit 17 Jahren die Zinsen angehoben. Kürzlich erfolgte der zweite Schritt. Zudem wurde ein Plan angekündigt, künftig deutlich weniger Anleihen zurückzukaufen. Wird das reichen, um den Yen zu stabilisieren?

Schnabl: Die Richtung stimmt. Aber die Notenbank ist zu zögerlich.

Wo liegt das Problem?

Schnabl: Die BoJ hat erstmals im Frühjahr 2024 reagiert. Dabei haben insbesondere die US-amerikanische Federal Reserve Bank (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen bereits ab 2022 mit Wucht angehoben. Die Fed hat zudem die Wertpapierbestände in ihrer Bilanz reduziert, so dass die Zinsen auf 10-jährige Staatsanleihen stark gegenüber 10-jährigen japanischen Staatsanleihen gestiegen sind. Lag die Zinsdifferenz Anfang 2021 bei etwa einem Prozentpunkt sind es derzeit rund drei Prozentpunkte. Im Mai 2024 waren es sogar noch mehr. Das hat es attraktiv gemacht, trotz Wechselkursrisiken von niedrig-verzinsten Yen-Anlagen in deutlich höher verzinste US-Dollar-Anlagen umzuschichten.

In den 1990ern waren auch mal Kreditfinanzierungen in Yen attraktiv?

Schnabl: Ja, damals war Südostasien ein beliebtes Ziel japanischer Kapitalexporte. Auch zuletzt haben die sogenannten "Carry-Trades" wieder zugenommen. Das bedeutet, dass sich Spekulanten in niedrig verzinsten Währungen verschulden und das Geld in hochverzinsten Währungen anlegen. Auch viele Käufe von Technologieaktien dürften mit Yen finanziert worden sein. Ebenso scheinen Mexiko und der Bitcoin betroffen.

Aber wenn es auch spät war. Die BoJ hat doch inzwischen reagiert.

Schnabl: Die BoJ hat den Leitzins von -0,1 auf +0,25 Prozent erhöht und hat den Zins auf 10-jährige japanische Staatsanleihen von null auf rund 1 Prozent steigen lassen. Dennoch wurde dadurch die Zinsdifferenz gegenüber den USA nicht wesentlich abgeschmolzen. Die Bank von Japan baut im Gegensatz zu anderen großen Zentralbanken trotz der jüngsten Reduktion des Volumens ihre Bestände an Staatsanleihen weiter aus. Die BoJ wirkt weitgehend handlungsunfähig.

Der Wertverlust geht also Ihrer Meinung nach weiter?  

Schnabl: Es gibt durchaus eine Chance, dass es wieder in die andere Richtung geht. Japan hat seit den frühen 1980er Jahren ein Nettoauslandsvermögen in Höhe von über 3.000 Milliarden US-Dollar angehäuft. Es wird weitgehend von privaten Akteuren gehalten. Die BoJ hat die anhaltenden Kapitalabflüsse aus Japan sogar maßgeblich befeuert, indem sie seit Beginn der 1980er Jahre das Zinsniveau in Japan um durchschnittlich 2,8 Prozentpunkte unter dem Zinsniveau in den USA gehalten hat.

Wenn also Japaner Geld in ausländischer Währung investieren, stärkt das den Yen?

Schnabl: Auf die lange Frist, ja. Ein dauerhaft niedrigeres Zinsniveau in Japan als in den USA signalisiert Aufwertungserwartungen des Yen gegenüber dem US-Dollar. Mit anderen Worten: Der Yen würde also in der Tat aufwerten, wenn viele japanische Anleger ihr Kapital aus dem Ausland zurückziehen und in Yen tauschen würden.

Doch wollte lange Zeit offenbar keiner. Wer hält denn in Japan diese Dollar-Anleihen?

Schnabl: Unter anderen haben die japanischen Lebensversicherungen und Pensionsfonds hohe Anlagen in US-Dollar, die nur teilweise gegen Wechselkursrisiken abgesichert sind. Und da die Bilanzen und Auszahlungsverpflichtungen in Yen sind, könnte eine starke Yen-Aufwertung das Eigenkapital einer Lebensversicherung schnell dahinschmelzen lassen. Es besteht ein Druck, solche Bestände abzustoßen, wenn eine dauerhafte Aufwertung des Yen erwartet wird.

Damit wären sie dann aus dem Schneider. Aber was sind die Risiken?

Schnabl: Genau, zumindest die Lebensversicherer und Pensionsfonds, die sich zuerst dazu entschließen. Aber wie nach dem Plaza-Abkommen zwischen September 1985 und 1987, könnte eine unkontrollierte, sich selbst verstärkende Yen-Aufwertung die japanische Wirtschaft hart treffen.

Es scheint also, dass viele Finanzinstitutionen einen starken Yen fürchten müssen.

Schnabl: Ja, die Regierung könnte einen schwachen Yen als einzigen Weg sehen, um eine Finanzkrise zu verhindern und den Export als wichtige Stützen der Konjunktur abzusichern. Das würde das Hadern der Bank von Japan bei den Zinserhöhungen erklären.

Und welche Rolle spielt die US-amerikanische Zentralbank Fed?

Schnabl: Eine große! Nach einer langen Phase der geldpolitischen Straffung haben sich jüngst die Erwartungen verstärkt, dass die Fed die Zinsen nun doch senken wird. Das hat letztes Wochenende dazu geführt, dass viele "Carry-Trades" aufgelöst wurden. Der Yen hat stark aufgewertet. Die darauffolgenden starken Kursverluste bei japanischen Exportunternehmen, Banken und Versicherungen zeigen, wie verwundbar Japan gegenüber einer Yen-Aufwertung ist. Und Japan ist ein wichtiger Akteur im internationalen Finanzsystem …

Wo führt das hin?

Schnabl: Sollte die Fed fortan ihre Geldpolitik lockern, dürfte sich die BoJ dazu gezwungen sehen, die geldpolitische Straffung zu beenden, bevor sie richtig begonnen hat. Das könnte auf höhere Inflationsraten in Japan und eine dauerhafte Abwertung des Yen hindeuten.

Es bleibt also spannend! Vielen Dank für das Gespräch. 

Und hier geht’s zum Kommentar zu dem Thema: Link.

Was ist mit dem Yen los? -

Prof. Dr. Gunther Schnabl

Gunther Schnabl ist Senior Advisor des Flossbach von Storch Research Institute mit Sitz in Köln. Er hat seit April 2006 an der Universität Leipzig den Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen inne und leitet dort das Institut für Wirtschaftspolitik. Als Senior Advisor unterstützt der studierte Volkswirt das Flossbach von Storch Research Institute vor allem bei den Themen Geld- und Wirtschaftspolitik.

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