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Geldanlage
6 Minuten

KENN(die)ZAHLEN – Die „Rendite p.a.“

- Sven Langenhan

Anleihen sind komplexe Gebilde. Ob sie sich lohnen, hängt von vielen Ertragsquellen ab. Kennzahlen helfen dabei, Chancen und Risiken abzuwägen. Eine dreiteilige Serie zeigt, was sie taugen.

Dieser Winter brachte auch dem Süden Minusgrade. Zumindest bei den Renditen für Staatsanleihen. Neben Frankreich rentierten zeitweise auch zehnjährige Staatsbonds von Spanien und Portugal negativ. Trotz Pandemie, historischer Wirtschaftskrise, explodierenden Staatsschulden. Wegen der expansiven Geld- und Anleihekaufpolitik der europäischen Zentralbank. Wenn Sie ab und zu die Analysen unseres Hauses verfolgen, dürfte Sie diese Entwicklung kaum überraschen.

Rendite p.a. (per annum oder pro Jahr), diese früher so wichtige Kennzahl für Anleihen, hat in Zeiten ohne Zinsen an Aussagekraft verloren. Denn die Strategie „Buy and hold“ oder das Kaufen und Halten von Anleihen bis zur Fälligkeit bringt keine nennenswerten Erträge mehr. Aktives Management und Flexibilität ist jetzt auf dem Anleihemarkt gefragt, eine Tatsache, die wir wegen ihrer Relevanz fast schon mantraartig wiederholen.

Rendite p.a. – Sinn und Unsinn einer Kennzahl

In unserem Alltag erreichen uns beinahe täglich Anfragen zu Kennzahlen und Statistiken unserer Fonds. In einer dreiteiligen Serie möchten wir die wichtigsten von ihnen (und ihre tatsächliche Aussagekraft) einmal genauer analysieren. Und erklären, warum sie, isoliert betrachtet, häufig wenig aussagen – und in der heutigen, (vermeintlich) neuen Anleihewelt zu Fehlinterpretationen führen können.

Den Start machen wir mit dem Favoriten unter den Kennzahlen: Der Rendite p.a. eines breit aufgestellten Fonds-Portfolios. Die Rendite p.a. soll, so die Überzeugung vieler Anlegerinnen und Anleger, das Ertragspotenzial eines Fonds widerspiegeln. Tut sie das aber tatsächlich, wenn der Fondsmanager in der Praxis kaum eine Anleihe bis zur Fälligkeit hält? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir etwas tiefer in die Welt der Bonds einsteigen.

Die Rendite einer Anleihe bis zum Ende der Laufzeit setzt sich zusammen aus dem erhaltenen jährlichen Kupon plus etwaige Kursgewinne (oder -verluste). Zum Laufzeitende muss die Anleihe wieder einen Kurs von 100 haben, sofern der Emittent nicht pleitegeht. Kursveränderungen plus erhaltene Kuponzahlungen werden dann ins Verhältnis zum aktuellen Preis der Anleihe gesetzt und ergeben annualisiert die Rendite p.a. Kaufe ich also eine Anleihe über par, also zu einem Kurs von mehr als 100, dann werde ich als Anleger bis zur Rückzahlung einen Kursverlust erleiden, welcher natürlich noch mit den bis dahin erhaltenen Kuponzahlungen zu saldieren ist.

Diese Finanzmechanik reduziert die tatsächliche Verzinsung einer Anleihe entsprechend - und führt zu den inzwischen zahlreichen negativ rentierenden Anleihen, die auf dem Markt zu finden sind. Hier wird spätestens klar, dass für solche Anleihen das Kaufen und Halten bis zur Fälligkeit schlichtweg keinen Sinn ergibt.

Andererseits gilt: Was bereits tief oder negativ rentiert, kann eben auch noch niedriger oder negativer werden. Und von einer solchen Entwicklung kann man als aktiver Investor profitieren. Denn dann steigt der Wert einer Anleihe - zumindest temporär.

Erträge in Zeiten ohne Zinsen

Hinzu kommt: Die Rendite p.a. ist nur eine Ertragsquelle neben vielen anderen, die einem aktiven Bondanleger zur Verfügung stehen. Dabei kann es helfen, sich das gesamte Ertragspotenzial von Anleihen als eine frisch gemauerte Wand vorzustellen. Diese Wand besteht aus vielen einzelnen Bausteinen, die man einerseits isoliert betrachten kann, welche aber andererseits wiederum nur als Einheit, in Form einer Mauer, ihren Zweck erfüllen.

Eine „Ertragswand“ bei Anleihen setzt sich im Wesentlichen aus Bausteinen wie Inflation (Inflationsausgleich), Kreditrisikoaufschlag, Duration, Währungseinfluss, Zinskurvenform, Roll-Down-Effekten, dem "Carry" einer Position, Basiseffekten, Liquidität und Volatilität zusammen (keine Sorge: die Funktion dieser „Ertragsbausteine“ werden wir in den weiteren Beiträgen etwas näher beleuchten).

Und all diese Bausteine verändern sich im Zeitablauf immer wieder, so dass man sie sich je nach Marktumfeld immer wieder nutzbar machen kann – solange man niemals das Gesamtkonstrukt einer tragfähigen Wand aus dem Auge verliert. Denn eine Mauer hält langfristig nur, wenn zumindest nicht zu viele Steine daraus fehlen und sie fest miteinander verbunden bleiben.

Zu Beginn dieses Beitrags haben wir bereits erwähnt, dass sich die Rendite p.a. durch das Verhältnis zwischen Kurs und Zins der Anleihen ergibt. Da der Zins feststeht, kann sich die Rendite also nur durch steigende oder fallende Preise der Anleihen verändern.

Genau diese Kursveränderungen wiederum basieren aber auf den dynamischen Vergütungsansprüchen der Anleger, die sich aus der Summe der vielen genannten Ertragsbausteine ergeben. Oder anders formuliert: Je mehr Bausteine wackeln, desto höher möchte der Anleger für das Risiko einer einsturzgefährdeten Wand entlohnt werden.

Klingt kompliziert? Ist es auch, aber mit Expertise, Erfahrung und viel Arbeit in Form von Flexibilität und Aktivität können daraus eben auch Opportunitäten entstehen. Die unter strikter Beachtung einer ausbalancierten Risiko-Ertrags-Betrachtung auch in einem Null- und Negativzinsumfeld zu einer sinnvollen Anlagestrategie führen können.

Wer heute gerne weiterhin Anleihen als einen elementaren und risikostreuenden (diversifizierenden) Effekt im Depot halten möchte, der sollte auf eine aktive und flexible Anlagestrategie setzen. Und dafür ist die Angabe der Rendite p.a. als vermeintlicher Gradmesser des Ertragspotenzials – zumindest isoliert betrachtet – vollkommen irrelevant oder schlimmstenfalls sogar irreführend.

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