Anleger und Anlegerinnen machen die gleichen Fehler immer wieder. Das gilt ausdrücklich auch für die Profis unter ihnen. Warum das so ist – und was sich dagegen tun lässt.
Der Mensch ist kompliziert – und doch sehr „einfach gestrickt“. Er weiß um seine Fehler – und macht sie trotzdem immer wieder. Auf dem Handy daddeln beispielsweise, während der Autofahrt. Wir alle wissen, dass das keine gute Idee ist, eine saudämliche sogar, weil lebensgefährlich. Und doch ist der Blick allzu oft auf das kleine, leuchtende Display gerichtet. Es brummt, schon wieder. Wer hat da geschrieben? Ist bestimmt wichtig! Na klar ist es das, so wie Hunderte Male zuvor auch, so wie immer ...
Unser Gehirn arbeitet höchst effektiv, im Guten wie im Schlechten. Dazu eine kurze Übung. Schauen Sie sich bitte die drei folgenden Bilder an. Kommen die Ihnen nicht bekannt vor? Wen erkennen Sie*? Und, lagen Sie richtig?
Diese kleine Übung verdeutlicht die größte Stärke unseres Gehirns: die Mustererkennung. Wir sind unglaublich gut und effizient darin, aus sehr wenigen Datenpunkten komplexe Muster zu erzeugen. Das ist gut, aber auch notwendig. Denn ohne diese Fähigkeit könnten wir unseren Alltag nicht bewältigen – keine Chance.
Unser Gehirn muss Abkürzungen nehmen, um nicht in der Flut von Informationen unterzugehen, denen es in jedem Augenblick ausgesetzt ist. Wir sprechen gerne von Intuition oder Bauchgefühl.
Leider liegt unser Bauch nicht immer richtig. Oft täuscht uns unsere Intuition – und das sogar auf vorhersagbare und konsistente Art und Weise.
Mustererkennung und Voreingenommenheit sind keine Fehler unserer mentalen Prozesse. Sie sind vielmehr das zentrale Merkmal unserer Intuition. Deshalb können wir auch nichts dagegen tun, sondern müssen damit leben und arbeiten. Umso wichtiger ist es, sich der Schwächen und der ihnen innewohnenden Fehlbarkeit immer wieder bewusst zu werden.
Daniel Kahneman, Nobelpreisträger, wunderbarer Wissenschaftler und leider kürzlich verstorben, hat sich viele Jahrzehnte mit menschlichen Denkmustern beschäftigt, Bücher darüber geschrieben, “Thinking, Fast and Slow” beispielsweise. Kahneman hat dazu Folgendes gesagt: „Es geht nicht darum: Lies dieses Buch – und dann denkst du anders. Ich habe dieses Buch geschrieben – und ich denke nicht anders!“ Insofern ist schon viel gewonnen, wenn wir um unsere eigene Limitiertheit wissen und damit umgehen können.
Weil wir in Mustern denken, sind wir sehr schnell darin, uns eine Meinung, ein Urteil zu bilden, zu den unterschiedlichsten Sachverhalten. Schublade auf, das war’s. Und Schublade wieder zu, bis der Inhalt das nächste Mal gebraucht wird.
In den allermeisten Fällen hinterfragen wir uns nicht, ganz im Gegenteil. Wir suchen vielmehr nach Bestätigung, nach Argumenten, die wir mögen, weil sie zu den unseren passen. Experten sprechen vom sogenannten Confirmation-Bias. Wir hören und sehen, was wir hören und sehen wollen. Nichts tut so gut wie Bestätigung! Ein jeder lebt in seiner eigenen Filterblase.
Nirgendwo sonst wird das so offensichtlich wie im Internet und in den sozialen Medien. Unsere Lese- und Suchgewohnheiten machen uns zu leichten „Opfern“ für Algorithmen, weil es nicht viel braucht, um uns zu entschlüsseln. Und so werden wir mit den entsprechenden Inhalten, Angeboten und Werbebannern gefüttert und daran gehindert, unsere wohlig-warme Blase zu verlassen.
Was glauben Sie, warum Facebook nur den „Daumen hoch“ kennt, nicht aber den „Daumen runter“? Die Nutzer sollen sich wohlfühlen – und dabeibleiben.
Bei meinen Recherchen bin ich auf Papst Leo X. gestoßen, zwischen 1513 und 1521 Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Ein wichtiges Thema der Kirche sind stets die Heilig- und Seligsprechungen gewesen. Wer sollte zu diesem privilegierten Kreise gehören – und wer nicht, aus welchen Gründen?
Leo X. jedenfalls hat sich die Sache nicht einfach gemacht. Er hat den „Advocatus Diaboli“, des „Teufels Advokaten“ eingesetzt und so diesen Begriff erfunden. Eine Person, die bewusst die Gegenposition einnimmt und so das eigene Urteil in Zweifel zieht, es zumindest herausfordert.
Anders ausgedrückt: Leos Advokat sollte die „Leichen“ im Keller der „Nominierten“ finden und darlegen, warum eine Heiligsprechung eben nicht gerechtfertigt wäre. Eine denkbar unangenehme, wenngleich unglaublich wichtige Aufgabe. Damals wie heute.
1983 wurde des Teufels Advokat der römisch-katholischen Kirche in Rente geschickt, von Papst Johannes Paul II. Danach hat es bis heute 482 Heiligsprechungen gegeben. Zuvor, in mehr als 400 Jahren (!), waren es nicht einmal die Hälfte ...
Sehr wahrscheinlich, dass die Argumente des Advocatus Diaboli nicht immer die richtigen waren. Nichtsdestotrotz braucht es verschiedene Blickwinkel und Perspektiven, verschiedene Argumente und Schlussfolgerungen, um zu einer guten, einer besseren Entscheidung zu kommen.
Wer sich nicht für die Argumente seines Gegenübers öffnet, dem droht der eigene Horizont im Nebel zu verschwimmen. Das gilt im Übrigen auch bei der Geldanlage. Ein Fondsmanager sollte sich niemals in ein Unternehmen, in dessen Aktie verlieben, aus welchen Gründen auch immer.
Er sollte stets wachsam bleiben, Trends beobachten und Entscheidungen der Unternehmensführung kritisch hinterfragen. Das wird nicht immer klappen, keine Frage. Allein der Versuch ist wertvoll. Er folgt der Erkenntnis, dass niemand unfehlbar ist. Frei nach dem Motto: Suche Erkenntnis, nie Bestätigung.
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